29. März 2016 | Stephan R. Göthel

Inzwischen ist es auch bei rein nationalen Unternehmenskäufen gängige Praxis, sich vertraglich von den gesetzlichen Gewährleistungsregeln zu lösen und diese durch ein eigenständiges Gewährleistungsregime zu ersetzen. Eine Bilanzgarantie gehört immer dazu und zählt zu den wichtigsten Garantien.

Parteiinteressen: Über den Inhalt der Bilanzgarantie wird häufig intensiv verhandelt. Der Idealfall für den Käufer ist, wenn der Verkäufer garantiert, dass es außerhalb der in den Jahresabschlüssen niedergelegten Verbindlichkeiten keine weiteren Verbindlichkeiten des Unternehmens gibt („harte Bilanzgarantie“). Eine solche Garantie wird der Verkäufer nicht wollen, weil dann bereits jede bestehende, auch unbekannte, aber nicht erfasste Verbindlichkeit zu einer Verletzung der Garantie führt. Der Verkäufer wird sich häufig darauf beschränken wollen, lediglich zu garantieren, dass die Bilanz nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufgestellt worden ist („weiche Bilanzgarantie“).

Sachverhalt: Das OLG Frankfurt hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem der Verkäufer garantiert hatte, dass der Jahresabschluss mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften erstellt worden ist und zu dem maßgeblichen Stichtag ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt wird („true and fair view“). Bei einzelnen Bilanzpositionen gab es Differenzen, die den Käufer veranlassten, Schadensersatz zu fordern.

Entscheidung: Das Gericht legte die Bilanzgarantie als Erklärung des Verkäufers aus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt das durch die bilanziellen Kennziffern abgebildete wirtschaftliche Gerüst in dem Unternehmen vorhanden ist („harte Bilanzgarantie“). Zur Berechnung des Schadensersatzes entschieden die Richter zugunsten des Käufers, dieser sei so zu stellen, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Unternehmenskaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen. Der Schaden bestehe danach in dem Minderwert, das heißt in der Wertdifferenz zu dem hypothetisch erzielten niedrigeren Kaufpreis, und nicht – wie von der Vorinstanz und dem Beklagten angenommen – in der Summe der Differenz von einzelnen unrichtigen Bilanzpositionen, zumal diese unter Umständen für die Vermögenslage der Gesellschaft neutral sein können oder aber sich möglicherweise gar nicht auswirken, weil etwa das Risiko sich nicht realisiert, für das eine Rückstellung gebildet wurde (z.B. Gewährleistungsverpflichtungen).

Praxishinweise: Die Entscheidung zeigt, dass die Parteien nicht nur über die Bilanzgarantie als solche Einigkeit erzielen sollten, sondern vielmehr auch die Berechnung des Schadensersatzes genau vertraglich regeln sollten. Die übliche Formulierung, dass der Käufer so zu stellen ist, wie er stände, wenn die Garantie nicht verletzt worden wäre, reicht hierzu nicht. Denn genau diese Formulierung hatten die Parteien im Fall des OLG Frankfurt gewählt und dann unterschiedlich ausgelegt. Aus Verkäufersicht empfiehlt es sich zudem, die Garantie auf „Kenntnis“ oder „bestes Wissen“ des Verkäufers zu beschränken und nicht wie im Fall des OLG Frankfurt die objektive Richtigkeit der Bilanz zu garantieren. Dabei sollte jedoch der Käufer darauf achten, dass hiervon nur die tatsächliche Kenntnis und nicht auch die fahrlässige Unkenntnis erfasst ist. Schließlich ist dem Verkäufer eine Haftungsbeschränkung auf einen Höchstbetrag („Cap“) zu empfehlen, da dies der sicherste Weg ist, um das wirtschaftliche Ausmaß eines Schadensersatzanspruchs zu begrenzen.

 

Prof. Dr. Stephan R. Göthel