11. Dezember 2015 | Oliver Rossbach

Mittelstandsfinanzierung 4.0 – Diversify yourself!

Die Qualität der Finanzierung eines Unternehmens hat wesentlichen Einfluss darauf, ob es erfolgreich ist oder scheitert. Finanzierungsentscheidungen gehören damit zu den Kernthemen für Unternehmen. In jedem Stadium. Ob bei der Gründung, bei der laufenden Geschäftstätigkeit, bei Akquisitionen, Investitionen und Projekten oder schließlich in Sanierungssituationen.

Erfolgreich durch richtigen Finanzierungsmix

Vielen Finanzchefs gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen ist oftmals nicht bewusst, welche Möglichkeiten ihnen bei der Finanzierung offen stehen. Die meisten setzen nach wie vor hauptsächlich auf Bankkredite. Dabei ist – ebenso wie auf der Anlageseite – auch auf der Finanzierungsseite eine Diversifikation durchaus sinnvoll, um von einzelnen Finanzierungspartnern unabhängiger zu werden.

Im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung rücken außerhalb des klassischen Bankkredits alternative Finanzierungsinstrumente in den Fokus. Zudem ist das Finanzierungsgeschäft insgesamt kapitalmarktnäher, internationaler und komplexer geworden. Auch getrieben durch ein strengeres regulatorisches Umfeld. Schließlich haben Fintechs z.B. über Crowdfinancing-Plattformen weitere interessante Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen. Diese Vielfalt sollte CFOs nicht abschrecken, sondern eher zum Einsatz alternativer Finanzierungsformen ermutigen, um nicht Potential auf der Strecke zu lassen.

Mit einer losen Folge von Beiträgen zur Unternehmensfinanzierung wollen wir genau dazu beitragen. Wir starten in diesem Teil mit Schuldscheindarlehen und berichten im nächsten Beitrag über Kreditfonds. In weiteren Beiträgen werden wir uns unter anderem den Themen Crowdfinancing und hybriden Finanzierungen widmen.

Teil 1: Schuldscheindarlehen

Schuldscheindarlehen sind als deutsche „Erfindung“ bereits aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg bekannt. Hierbei handelt es sich um Darlehen, die gegen Ausstellung eines Schuldscheins gewährt werden. Die Schuldscheine sind keine Wertpapiere im rechtlichen Sinne, sondern dienen lediglich als Beweisurkunde.

Schuldscheindarlehen werden ähnlich wie eine Anleihe unterzeichnet und platziert: Darlehensgeber ist zunächst typischerweise ein arrangierendes Kreditinstitut, das den Schuldscheindarlehensvertrag unterzeichnet und anschließend Teilbeträge des Schuldscheindarlehens im Wege der Privatplatzierung an Investoren, wie andere Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Family Offices oder Kapitalanlagegesellschaften, veräußert. Dies geschieht meist im Wege der Vertragsübernahme, selten auch im Wege der Abtretung. In jedem Fall werden die erwerbenden Investoren zu Darlehensgebern. Nicht zuletzt als positives Bekenntnis zum Finanzierungsengagement behält das arrangierende Kreditinstitut in aller Regel einen Teil des Schuldscheindarlehens in den eigenen Büchern. Zudem übernimmt es meistens die sogenannte Zahlstellenfunktion, so dass das darlehensnehmende Unternehmen auch nach Übertragung von Darlehensteilen nur an seinen ursprünglichen Ansprechpartner zahlen muss.

Die Platzierung bei den Investoren erfolgt in der Regel auf sogenannter best-efforts-Basis. Dies bedeutet, dass das arrangierende Kreditinstitut keinen Erfolg schuldet, sondern sich lediglich nach besten Kräften bemühen muss, das Schuldscheindarlehen zu platzieren. Die vereinbarte Darlehensvaluta wird zudem vom arrangierenden Kreditinstitut erst dann ausgezahlt, wenn ihm die endgültigen Darlehensgeber zuvor die durch sie übernommenen Darlehensteilbeträge zur Verfügung gestellt haben.

Wirtschaftliche Eckdaten und Vertragsdokumentation

Schuldscheindarlehen weisen typischerweise folgende Eckdaten auf:

  • Die Finanzierungsvolumina beginnen bei etwa EUR 10 Mio., können aber auch das Volumen einer börsengehandelten Anleihe erreichen.
  • Die Laufzeit beträgt zwischen 3 und 10 Jahren.
  • Typischer Verwendungszweck: Investitions-, Wachstums- oder Investitionsfinanzierung oder Ablösung bestehender Mittel- und Langfristfinanzierungen.
  • Zinssatz: Fest oder variabel (z.B. Marge + EURIBOR); Höhe abhängig von den üblichen Parametern (Bonität, Laufzeit, Sicherheiten, aktueller Kapitalmarkt etc.).
  • Tilgung: Endfällig.
  • Sicherheiten: Meist keine.

Die Vertragsdokumentation von Schuldscheindarlehen ähnelt in wesentlichen Punkten derjenigen von Konsortialkrediten. Das gilt insbesondere für übliche vom Darlehensnehmer abzugebende Zusicherungen (Representations) und Verpflichtungen (Undertakings), für die Vereinbarung einzuhaltender finanzwirtschaftlicher Kennzahlen (Financial Covenants) oder für außerordentliche Kündigungsgründe (Events of Default). Allerdings ist der Standardisierungsgrad der im Markt verwendeten Schuldscheindarlehensverträge lange nicht so hoch wie bei den Konsortialkrediten. Ein großer Unterschied zu Konsortialkrediten besteht auch darin, dass zwischen den verschiedenen Investoren, die die Schuldscheine erwerben, keine Konsortialbeziehung besteht. Ohne an Mehrheits- oder Abstimmungserfordernisse gebunden zu sein, kann daher jeder Investor die Rechte aus „seinem“ Schuldscheindarlehen eigenständig geltend machen. Umgekehrt kann der Darlehensnehmer mit jedem Investor individuell über Vertragsänderungen verhandeln.

Vorteile

Schuldscheindarlehen erlauben es kreditsuchenden Unternehmen, einen breiteren Investorenkreis anzusprechen als bei Konsortialkrediten und dadurch ihre Gläubigerstruktur zu diversifizieren. Gleichzeitig verringern Unternehmen damit die Abhängigkeit von ihren Hausbanken. Eine lange Laufzeit von bis zu zehn Jahren, die flexible Ausgestaltung der Konditionen und die während der Laufzeit liquiditätsschonende endfällige Tilgung sind weitere gute Argumente für das Schuldscheindarlehen.

Gegenüber einer Unternehmensanleihe bieten Schuldscheindarlehen zunächst Zeit- und Kostenvorteile, da regelmäßig geringere Anforderungen an ein externes Rating des Darlehensnehmers gestellt werden, kein Wertpapierprospekt erstellt und gedruckt werden muss, keine Börseneinführungsgebühr anfällt und keine öffentliche Publizitätspflicht besteht. Zudem ist keine aufwändige Kapitalmarktkommunikation erforderlich. Die Informationspflichten beschränken sich im Wesentlichen auf die vertraglich vereinbarte Offenlegung von Jahresabschlüssen und Zwischenberichten gegenüber den Käufern des Schuldscheindarlehens. Die Dokumentation und Platzierung eines Schuldscheindarlehens kann innerhalb von zwei bis drei Monaten erfolgen.

Außerdem ist zu bedenken, dass der erstmalige Gang an den Kapitalmarkt für ein Unternehmen eine große Herausforderung ist: zunächst unternehmenskulturell, dann aber auch organisatorisch und finanziell. Insbesondere müssen plötzlich erhöhte Transparenz- und Publizitätspflichten erfüllt werden. Kommt dies für das kapitalsuchende Unternehmen (noch) nicht in Betracht oder sind die in Rede stehenden Finanzierungsvolumina für die Begebung eine Anleihe (noch) zu klein, kann sich ein Schuldscheindarlehen als erster Schritt in Richtung Kapitalmarkt empfehlen.

Für Investoren, die an einem Halten der Schuldscheindarlehen bis zur Endfälligkeit interessiert sind (buy and hold-Strategie), bieten sich bilanzielle Vorteile. Denn die Schuldscheindarlehen müssen nicht zu Marktwerten, sondern können zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert werden. Damit ergibt sich bei Schuldscheindarlehen (außer im Falle dauerhafter Wertminderungen) grundsätzlich kein Wertberichtigungsbedarf. Kreditinstitute schließlich können Schuldscheindarlehen zu Refinanzierungszwecken verwenden, da diese in den Kreis der EZB-fähigen Sicherheiten aufgenommen worden sind.

Aufgrund all dieser Vorteile verwundert es nicht, dass das Volumen von Schuldscheinemissionen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Unternehmen sollten daher bei einer Neujustierung ihrer Finanzierungsstruktur auch die Möglichkeit prüfen, sich über ein Schuldscheindarlehen zu finanzieren.