10. Juli 2017 | Oliver Rossbach

Im Rahmen der Masseverwaltung gibt es hin und wieder günstige Erwerbsgelegenheiten. Insolvenzverwalter mögen dann versucht sein, diese für sich selbst zu nutzen. Ziehen sie jedoch einen Vorteil aus Rechtsgeschäften, die dem Geschäftsbereich des von ihnen verwalteten Schuldnerunternehmens zuzuordnen sind, machen sie sich gegenüber der Gläubigergemeinschaft schadensersatzpflichtig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 16. März 2017 (IX ZR 253/15) entschieden und die diesbezügliche Haftung von Insolvenzverwaltern konkretisiert – u.a. unter Rückgriff auf die für Geschäftsleiter geltenden Grundsätze der sogenannten Geschäftschancenlehre.

Zugrunde liegender Fall

Der hier beklagte Insolvenzverwalter hatte während seiner Amtszeit eine Wohnung im Wert von EUR 45.000 zu einem Preis von EUR 3.000 für sich selbst erworben. Die Wohnung befand sich in einer Wohnanlage, die während des Insolvenzverfahrens von dem Schuldnerunternehmen verwaltet wurde. Der Insolvenzverwalter musste dem Verkauf in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des wohnungsverwaltenden Schuldnerunternehmens zustimmen und tat dies auch. Er wurde daraufhin von seinem Nachfolger im Amt auf Schadensersatz i.H.v. EUR 42.000 verklagt.

Entscheidung des BGH  

Der BGH hielt den Schadensersatzanspruch für begründet und hat die Sache an das Berufungsgericht (OLG Köln) zurückverwiesen.

  • Der Insolvenzverwalter hat sich nach Ansicht des BGH bereits dadurch nach § 60 InsO schadensersatzpflichtig gemacht, dass er die ihm als Verwalter zu einem äußerst geringen Preis angebotene Wohnung nicht für die Insolvenzmasse erworben hat. Denn ihn treffe nicht nur die Pflicht, die Masse zu erhalten. Vielmehr gehöre zu seiner Masseverwaltungspflicht auch ein Wertmehrungsgebot. In diesem Sinne hatte der BGH bereits früher entschieden, dass ein Insolvenzverwalter gehalten sein kann, bis zur endgültigen Verteilung der Insolvenzmasse nicht benötigte Gelder zinsgünstig anzulegen.
  • Einen weiteren gemäß § 60 InsO Schadenersatz auslösenden Pflichtenverstoß hat der BGH darin gesehen, dass der Insolvenzverwalter eine Geschäftschance genutzt hat, die der Masse in der Weise zugeordnet war, dass er sie persönlich nicht mehr wahrnehmen durfte. Zur Begründung verglich der BGH die Rechte und Pflichten eines Insolvenzverwalters mit denen eines Geschäftsführers. Anders als dieser unterläge ein Insolvenzverwalter zwar keinem Wettbewerbsverbot, weil er nicht seine ganze Arbeitskraft ausschließlich einem Insolvenzverfahren widme. Aber das aus der Treuepflicht des Geschäftsführers folgende Verbot, Geschäftschancen für sich selbst, anstatt für die Gesellschaft auszunutzen (sog. Geschäftschancenlehre), gelte gleichermaßen für einen Insolvenzverwalter. Denn er habe mit seiner Bestellung eine Rechtsmacht erhalten (vgl. § 80 Abs. 1 InsO), die nicht hinter derjenigen eines Geschäftsführers zurückbleibe. Wann eine Geschäftschance der Masse so zugeordnet ist, dass ein Insolvenzverwalter sie nicht mehr wahrnehmen darf, sei natürlich eine Frage des Einzelfalls. Richtschnur seien wiederum die Grundsätze der Geschäftschancenlehre. Diese sah der BGH vorliegend als gegeben an. Der Erwerb der Wohnung habe zum Geschäftsfeld des wohnungsverwaltenden Schuldnerunternehmens gehört, und die Wohnung wäre an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verkauft worden, wenn er das Geschäft nicht persönlich an sich gezogen hätte.

Praxisauswirkung

  • Insolvenzverwalter werden zukünftig noch genauer prüfen müssen, ob sie Geschäftschancen, die sich im Rahmen der Insolvenzverwaltung ergeben, persönlich anstatt für die Masse nutzen dürfen. Die Einwendung jedenfalls, der jeweilige Verkäufer habe wegen der Insolvenz überhaupt nicht an die Masse verkaufen wollen, wird ihnen so allein kaum helfen. Dies hatte auch der hier beklagte Insolvenzverwalter versucht und sogar eidesstattlich versichert. Der BGH hat dazu bemerkt: Von einem Geschäftsführer, dem sich eine Geschäftschance für die Gesellschaft biete, werde grundsätzlich erwartet, alles Erdenkliche zu tun, um diese für die Gesellschaft zu nutzen. Das gelte auch für den Insolvenzverwalter. „Es wäre Aufgabe des Insolvenzverwalters gewesen, etwaige Fehlvorstellungen der Verkäufer hinsichtlich der Befugnisse und wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Insolvenzverwalters zu korrigieren und unbegründete Bedenken auszuräumen.“
  • Die am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger und ihre Organe werden Grund haben, noch genauer hinzusehen, ob der Insolvenzverwalter seinen am Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger und am von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossenen Verfahrensziel orientierten Pflichten im Einzelfall ordnungsgemäß nachkommt.

Dr. Oliver Rossbach