3. Oktober 2016 | Oliver Rossbach

Wird ein Unternehmen von verschiedenen Darlehensgebern finanziert, trägt derjenige Darlehensgeber das geringste Risiko, der sein Geld früher und sicherer zurückerhält als die anderen. Man spricht auch davon, dass seine Forderungen vorrangig, die der anderen Gläubiger nachrangig sind. Ein Nachrang kann struktureller Natur sein, sich aus dem Gesetz ergeben oder vertraglich vereinbart werden. Letzteres geschieht in bestimmten Konstellationen mit Hilfe einer sogenannten Intercreditor-Vereinbarung.

Arten und Bedeutung der Nachrangigkeit von Forderungen

  • Struktureller Nachrang: Bei der Finanzierung einer Unternehmensgruppe ist die Risikoposition derjenigen Gläubiger am sichersten, die die operativ tätigen Gesellschaften finanzieren. Denn dort landet der zur Darlehensrückzahlung entscheidende Cashflow. Die Financiers von Zwischen- und Holdinggesellschaften hingegen sind darauf angewiesen, dass nach Befriedigung der Gläubiger der operativen Gesellschaften und unter Beachtung der Eigenkapitalerhaltungsvorschriften dieser operativen Gesellschaften noch ausreichend Liquidität übrig bleibt. Solche Gläubiger sind gegenüber den näher am Cashflow stehenden strukturell im Nachrang.
  • Gesetzlicher Nachtrang: Teilweise ordnet das Gesetz einen Nachrang bestimmter Forderungen an, so etwa § 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung (InsO) für Forderungen auf Rückzahlung und Verzinsung von Gesellschafterdarlehen.
  • Vertraglicher Nachrang: Schließlich kann ein Gläubiger einem anderen Gläubiger vertraglich das Recht einräumen, bei gleichzeitiger Fälligkeit der Forderungen vorrangig befriedigt zu werden. Das geschieht etwa zur Subordinierung von Gesellschafterdarlehen mittels einer Rangrücktritts- und Belassungserklärung (Subordination Agreement).

Die Frage des Rangs der Forderungen ist nicht nur für die Risikoposition der einzelnen Gläubiger entscheidend, sondern beeinflusst auch unmittelbar die Kreditkonditionen. Denn Gläubiger, die ein geringeres Ausfallrisiko haben, können ihrem Darlehensnehmer günstigere Konditionen anbieten als Gläubiger, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind.

Parteien und Inhalt einer Intercreditor-Vereinbarung

Intercreditor-Vereinbarungen werden geschlossen, wenn an einer Finanzierungstransaktion verschiedene Arten von Darlehensgebern beteiligt sind, wie dies typischerweise bei Akquisitions-, Projekt- und Assetfinanzierungen der Fall ist. Vertragsparteien sind dann (1) die sogenannten Senior-Kreditgeber, (2) die Mezzanine- oder Junior-Kreditgeber (zur Begrifflichkeit siehe hier), (3) andere nachrangige Kreditgeber wie Gesellschafter oder weitere Gruppengesellschaften sowie (4) der Kreditnehmer und, soweit vorhanden, (5) der Sicherheiten-Treuhänder und (6) Garantiegeber bzw. Bürgen.

Intercreditor-Vereinbarungen enthalten regelmäßig folgende Regelungen, wobei ein Standard, der inzwischen auch in deutschrechtliche Verträge Eingang gefunden hat, von der Londoner Loan Market Association (LMA) zur Verfügung gestellt wird:

  • Rangrücktritt: Herzstück der Intercreditor-Vereinbarung ist die Erklärung bestimmter Darlehensgläubiger, mit ihren Forderungen im Rang hinter die Forderungen anderer Darlehensgläubiger zurückzutreten. Die mit diesem Rangrücktritt beabsichtigten Wirkungen müssen allerdings noch durch weitere Regelungen sichergestellt und konkretisiert werden.
  • Änderung von Finanzierungsverträgen: So müssen nachrangige Gläubiger sich verpflichten, ihre Finanzierungsverträge nicht zum Nachteil der Senior-Kreditgeber zu ändern.
  • Zahlungen und Sicherheiten: Zudem erklären sich die nachrangigen Gläubiger damit einverstanden, dass Zahlungen auf ihre Forderungen erst dann geleistet werden, wenn sämtliche vorrangigen Forderungen befriedigt sind. Spiegelbildlich verpflichtet sich der Darlehensnehmer, auch erst dann Zahlungen an die nachrangigen Gläubiger zu leisten. Zu Unrecht geleistete Zahlungen haben keine Erfüllungswirkung; zu Unrecht empfangene Zahlungen sind an den Berechtigten herauszugeben. Zusätzliche Sicherheiten dürfen den nachrangigen Gläubigern entweder überhaupt nicht oder nur dann bestellt werden, wenn dieselben Sicherheiten auch den vorrangigen Gläubigern eingeräumt werden, zumindest mit schuldrechtlichem Vorrang.
  • Suspendierung von Rechten: Bis zur vollständigen Befriedigung der vorrangigen Gläubiger dürfen die nachrangigen Gläubiger insbesondere ihre Kredite nicht kündigen, nicht aufrechnen, ihre Sicherheiten nicht verwerten und keinen Insolvenzantrag stellen.
  • Verwertung von Sicherheiten und Erlösverteilung: In Konsortialfinanzierungen ist es üblich, dass die Sicherheiten (zumindest auch) einem Sicherheiten-Treuhänder bestellt werden. Intercreditor-Vereinbarungen geben das alleinige Verwertungsrecht dem Sicherheiten-Treuhänder und bestimmen, dass er die Verwertungserlöse entsprechend der vereinbarten Reihenfolge, dem sogenannten „Wasserfall“ (Waterfall), zu verteilen hat.
  • Rechte in der Insolvenz: Ein Insolvenzverwalter ist nicht an die nur inter partes geltende Intercreditor-Vereinbarung gebunden und wird daher die Forderungen aller ungesicherten Gläubiger einheitlich in Höhe der Insolvenzquote befriedigen. Die Intercreditor- Vereinbarung sieht allerdings vor, dass die nachrangigen Gläubiger ihre Forderung anzumelden und eine erhaltene Quote an die vorrangigen Gläubiger auszukehren haben. Außerdem ist eine Vollmacht zugunsten der vorrangigen Gläubiger vorgesehen, wonach sie die Forderungen der nachrangigen Gläubiger anmelden können, falls diese untätig bleiben.

Praxistipp

Erfahrungsgemäß wird um bestimmte Regelungen in Intercreditor-Vereinbarung heftig gerungen. Dies betrifft insbesondere die befristete Suspendierung bestimmter Gestaltungsrechte und die Einschränkung der Verwertungsrechte der nachrangigen Gläubiger. Aus ihrer Sicht handelt es sich häufig um „Knebelungsverträge“, während die vorrangigen Gläubiger im worst case alleiniger „Herr im Haus“ sein wollen. Grundsätzlich hat die beschriebene Regelungssystematik ihre volle Berechtigung, denn nachrangige Gläubiger werden für ihr risikoreicheres Engagement in guten Zeiten auch wesentlich höher entlohnt. Teilweise bieten sich aber auch Kompromisslösungen an. So kann etwa vereinbart werden, dass die nachrangigen Gläubiger im Falle eines Kündigungsgrunds unter ihren Finanzierungsverträgen berechtigt sind, von den vorrangigen Gläubigern die Verwertung von Sicherheiten zu verlangen. Typischerweise wird eine Stillhalteperiode vereinbart, in der die nachrangigen Gläubiger keine Verwertungsmaßnahmen ergreifen dürfen und die vorrangigen Gläubiger Zeit haben, Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, um den Kündigungsgrund zu beseitigen. Gelingt ihnen dies innerhalb der Stillhalteperiode nicht, dürfen die nachrangigen Gläubiger selbst Verwertungsmaßnahmen ergreifen.

Dr. Oliver Rossbach