16. Dezember 2016 | Stephan R. Göthel

Die Haftung von Managern für unternehmerische Entscheidungen hat in den letzten Jahren immer größere Aufmerksamkeit erfahren. Wichtig sind Haftungsfragen jedoch nicht nur für Vorstände großer Aktiengesellschaften, sondern ebenso für Vorstände und Geschäftsführer von mittleren und kleinen Gesellschaften. Ein haftungsrelevanter Bereich sind M&A-Transaktionen, wie etwa Unternehmenskäufe und -beteiligungen. Hier stellt sich für die Geschäftsleiter des Erwerbers stets die Frage, ob eine Prüfung des Zielunternehmens (Due Diligence) erforderlich ist, um eine mögliche Haftung auszuschließen.

Grundsatz: Pflicht zur Due Diligence

Grundlage dieser Frage ist, ob die Geschäftsleitung einer Erwerbergesellschaft aufgrund ihrer Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft die beschriebene Prüfungspflicht trifft. Die Sorgfaltspflicht besagt, dass die Geschäftsleitung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat. Dies gilt für Vorstände einer Aktiengesellschaft ebenso wie für Geschäftsführer einer GmbH (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG). Eine verbreitete Auffassung leitet hieraus ab, dass die Geschäftsleitung vor einem Unternehmenskauf regelmäßig verpflichtet ist, die Zielgesellschaft umfassend zu prüfen, um die Kaufentscheidung sorgfältig vorbereiten und die damit verbundenen Risiken begrenzen zu können.

Gestützt wird diese Ansicht durch die sogenannte Business Judgment Rule. Der Begriff stammt aus dem US-amerikanischen Recht und wird zur Bezeichnung des Geschäftsleiterermessens herangezogen. Nach der Business Judgment Rule liegt keine Sorgfaltspflichtverletzung vor, wenn der Geschäftsleiter „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dies bedeutet umgekehrt, dass eine Pflichtverletzung vorliegen kann, wenn der Geschäftsleiter seine Entscheidung ohne angemessene Information und damit ohne vorherige Due Diligence getroffen hat.

Ausnahme

In Ausnahmefällen dürfte eine solche Pflicht jedoch entfallen, wenn sich beispielsweise eine kurzfristige und im Unternehmensinteresse liegende Geschäftschance ergibt und eine vorherige Prüfung des Zielobjekts aus Zeitgründen nicht mehr möglich ist. Denn nur so gibt man der Geschäftsleitung die notwendige Freiheit, eine Geschäftschance zu ergreifen, die sonst möglicherweise ein Wettbewerber nutzt. Entscheidend ist allerdings, wie so oft, der konkrete Einzelfall. Je größer danach die Risiken des Kaufs erscheinen, desto zwingender wird es, eine Due Diligence durchzuführen. Dies gilt auch für Umfang und Tiefe der Due Diligence. Deutlich wird dies in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg, in der es um den besonderen Fall des Erwerbs eines Unternehmens aus der Insolvenz ging. In den Gründen heißt es:

„Bei den vorhandenen Ungereimtheiten und Unsicherheiten in den vorhandenen betriebswirtschaftlichen Daten des vorherigen Klinikträgers, der Verlustlage beim vorausgegangenen Klinikbetreiber, einer eindeutig negativen Prognose nach den eigenen Ermittlungen der Geschäftsführer […] und dem hier vorhandenen Erwerb aus einer Insolvenz wäre jedenfalls vor der abschließenden Kaufentscheidung seitens der Beklagten eine umfassende Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Daten, der genauen Ursachen der jahrelangen Verluste und eine eingehende, realistische Analyse des Umsatz- und Gewinnpotenzials (nach den Standards einer commercial und financial due diligence) unter Einsatz unbeteiligter, objektiver Fachleute (z. B. von Wirtschaftsprüfern) erforderlich gewesen, um eine hinreichend abgesicherte Grundlage für die zu treffende unternehmerische Entscheidung zu haben und die vorhandenen Risiken zumindest in einem gewissen, mit zumutbarem Aufwand erreichbarem Umfang zu begrenzen.“

Empfehlung

Verletzt die Geschäftsleitung die Pflicht zur Due Diligence, haftet sie gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden, wie beispielsweise für finanzielle Nachteile der Gesellschaft, die sich aufgrund nicht geprüfter Risiken ergeben haben. Geschäftsleitern ist daher zu empfehlen, die Notwendigkeit und den erforderlichen Umfang einer Due Diligence stets im Blick zu haben. Erlaubt der Verkäufer keine oder nur eine unzureichende Due Diligence und erscheinen die Risiken daher hoch, sollte in jedem Fall auf eine sorgfältige Gestaltung des Kaufvertrags geachtet werden, in welchem diese Risiken beispielsweise durch umfangreiche Garantie- und Freistellungserklärungen des Verkäufers abgesichert werden. Gelingt auch dies nicht, dürfte es im Zweifel ratsam sein, die Transaktion nicht durchzuführen.

Prof. Dr. Stephan R. Göthel