29. Oktober 2015 | Oliver Rossbach

Welche Sanierungsbeiträge leisten Banken in der Unternehmenskrise? –

Teil 3: Überbrückungs- und Sanierungskredite

Nachdem wir in Teil 1 unserer Serie der Frage nachgegangen sind, ob es eine Sanierungspflicht für Banken gibt und wie es sich mit dem Recht zur Kündigung der Darlehensverträge verhält, und wir uns in Teil 2 mit den typischen Sanierungsbeiträgen der Banken zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens beschäftigt haben, sehen wir uns heute die Besonderheiten von Überbrückungs- und Sanierungskrediten näher an. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Selbstverständlich dienen auch Überbrückungs- und Sanierungskredite dazu, die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu vermeiden bzw. wieder zu beseitigen. Dennoch haben wir diese Kredite in Teil 2 unserer Serie bewusst ausgeklammert, um uns auf ihre Besonderheiten in diesem Teil konzentrieren zu können.

Überbrückungskredite

Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, hat die Geschäftsleitung u.a. die Pflicht zu prüfen, ob das Unternehmen Insolvenz anmelden muss oder ob es noch weiter am Geschäftsleben teilnehmen darf. Die Prüfung, ob eine Sanierung des Unternehmens möglich ist, nimmt naturgemäß einige Zeit in Anspruch, insbesondere für die Erstellung eines Sanierungsgutachtens nach den Vorgaben von IDW S6. Vielfach sind in einer solchen Situation die Geschäftsleitungsorgane wegen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens bereits insolvenzantragspflichtig oder eine solche Antragspflicht steht kurz bevor. Das Unternehmen ist daher dringend auf liquiditätsstützende Maßnahmen seiner Gläubiger – in erster Linie der Banken – angewiesen, um seine Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Diesem Ziel dienen Überbrückungskredite. Es sind Kredite, die Banken einem in der Krise befindlichen Unternehmen mit der Zweckbestimmung gewähren, den für die Prüfung der Sanierungsfähigkeit erforderlichen Zeitraum zu überbrücken. Sie werden häufig mit anderen Formen der Überbrückungsfinanzierung wie z.B. Stundungen oder Kündigungsverzichte kombiniert (vgl. dazu Teil 2).

Überbrückungskredite haben typischerweise eine Laufzeit von zwischen sechs und zwölf Wochen. Einerseits müssen sie immer auch die Zeit abdecken, die gebraucht wird, um die der Überbrückungsfinanzierung nachfolgende Sanierungsfinanzierung zu implementieren. Andererseits muss ihre Laufzeit ebenso wie ihr Zweck begrenzt und in der Vertragsdokumentation ausdrücklich geregelt sein, damit die Geschäftsleitung des Unternehmens, aber auch diejenige der Bank, ihr mit dem Vorwurf einer Gläubigergefährdung und Insolvenzverschleppung verbundenes Haftungsrisiko begrenzen können.

Oftmals verlangen Banken, bevor sie Überbrückungskredite zur Verfügung stellen, Zugeständnisse des Unternehmens, seiner Gesellschafter oder anderer Gläubiger, wie z.B. die Stellung von Sicherheiten, die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen oder Stillhalteerklärungen. Dies ist nicht nur legitim, sondern für eine erfolgreiche Sanierung unabdingbar. So wird beispielsweise die während der Überbrückungsphase notwendige Liquidität nicht zu sichern sein, ohne dass auch die Warenkreditversicherer ihre Versicherungszusagen aufrechterhalten und die Lieferanten dem Unternehmen realistische Zahlungsziele einräumen. Die Verhandlungen der verschiedenen Stakeholder über die Sanierungsbeiträge sind oftmals zäh. Insbesondere nachrangige Gläubiger und Gesellschafter fürchten, im Rahmen der Sanierung große Verluste hinnehmen zu müssen. Um hier eine Einigung zu erzwingen, wird mitunter von vorrangigen Gläubigern damit gedroht, bei Scheitern der Sanierungsgespräche ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und die Neuordnung der Verbindlichkeiten und der Gesellschafterstruktur mithilfe eines Insolvenzplans auch gegen den Willen der Opponenten durchzusetzen. Dies lässt das Insolvenzrecht unter bestimmten Voraussetzungen zu.

Überbrückungskredite werden am vereinbarten Laufzeitende sofort fällig, ohne dass es einer Kündigung bedarf. In der Regel wird ein vorheriges Kündigungsrecht zugunsten der Banken für den Fall vereinbart, dass sich das Unternehmen als nicht sanierungsfähig erweist oder daran ernsthafte Zweifel bestehen. Kündigungsmöglichkeiten aus wichtigem Grund dürften mit Blick auf den Zweck des Überbrückungskredits – jedenfalls was den Kündigungsgrund „Vermögensverschlechterung“ angeht – nur eingeschränkt in Betracht kommen. Banken, die neue Kredite gewähren, werden verlangen, dass sie für den Fall, dass die Sanierung scheitert, vorrangig besichert sind. Meist stehen allerdings keine unbelasteten Vermögensgegenstände des Unternehmens mehr zur Verfügung. Dann können den Überbrückungskreditgebern Rechte an bereits belasteten Assets eingeräumt werden; oder es werden alle Sicherungsrechte in eine sogenannte Poolvereinbarung einbezogen, wobei vereinbart wird, dass die Überbrückungskreditgeber aus etwaigen Verwertungserlösen vorrangig befriedigt werden. Immer aber haben die Banken mögliche mit der Sicherheitenbestellung verbundene Insolvenzanfechtungsrisiken sorgfältig zu prüfen.

Sanierungskredite

Sofern am Ende der Überbrückungsphase ein positives Sanierungsgutachten vorliegt, kann dem Unternehmen ein Sanierungskredit – häufig in Kombination mit anderen Formen der Sanierungsfinanzierung wie z.B. Stundungen oder Zinsanpassungen – gewährt werden. Sanierungskredite sind Kredite für Unternehmen, die sanierungsbedürftig und sanierungsfähig sind. Sanierungsbedürftigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen bereits insolvent ist oder ohne Sanierungsmaßnahmen alsbald insolvent würde. Die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dürfen Banken annehmen, sofern keine ernsthaften Zweifel am Gelingen des Sanierungsversuchs bestehen. Die Rechtsprechung verlangt dafür, dass dem Sanierungsversuch ein schlüssiges Konzept zugrunde liegt, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist. Banken lassen sich die Sanierungsfähigkeit ihres Kreditnehmers von einem externen Fachmann, in der Regel einem Wirtschaftsprüfer, im Rahmen eines Sanierungsgutachtens nach IDW S 6-Standard bestätigen. So schützen sie sich gegen das Risiko einer Gläubigergefährdungs- und Insolvenzverschleppungshaftung, nämlich gegen den Vorwurf, nur aus eigennützigen Gründen ihren Darlehensnehmer weiter finanziert und damit gleichzeitig andere Gläubiger über dessen Solvenz getäuscht zu haben.

Durch Sanierungskredite werden die zuvor gewährten Überbrückungskredite refinanziert. Die Laufzeit von Sanierungskrediten orientiert sich an dem Zeitraum, der in dem Sanierungsgutachten untersucht wird. Dieser beträgt in der Regel zwei Jahre. Entscheidend ist währenddessen eine enge und fortlaufende Überwachung der vom Unternehmen umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen. Was die mitunter schwierigen Verhandlungen zwischen unterschiedlichen Gläubigergruppen bzw. Gläubigern und Gesellschaftern betrifft, wenn es darum geht, sich über die einzelnen Sanierungsbeiträge im Rahmen der Sanierungsfinanzierung zu einigen, gilt das zum Überbrückungskredit Gesagte auch hier. Sanierungskredite werden am Laufzeitende automatisch zur Rückzahlung fällig, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während der Laufzeit haben Banken immer dann ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Zweck des Sanierungskredits nicht mehr erreicht werden kann oder daran zumindest ernsthafte Zweifel bestehen. Hingegen können Banken die außerordentliche Kündigung des Sanierungskredits wegen Vermögensverschlechterung nicht auf Umstände stützen, die ihnen bei der Kreditvergabe bereits bekannt waren. Die Besicherung neu gewährter Sanierungskredite unterliegt als sogenanntes Bargeschäft grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung, sofern der Wert der Sicherheiten und der Kreditbetrag gleichwertig sind und die Sicherheiten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Kreditvalutierung bestellt werden. Hingegen bestehen erhebliche Insolvenzanfechtungsrisiken, sofern neu bestellte Sicherheiten zugleich der Besicherung bestehender Altkredite dienen sollen. Um ein Zusammenwirken der unterschiedlichen Kreditgeber zu ermöglichen, werden die ihnen bestellten Sicherheiten regelmäßig in einer Sicherheitenpoolvereinbarung zusammengefasst. Darin wird unter anderem geregelt, welche Sicherheiten welchen Kreditgebern gewährt worden sind und in welcher Reihenfolge die Kreditgeber an etwaigen Verwertungserlösen partizipieren sollen.

Sanierungskredite werden häufig von einem Kreditkonsortium zur Verfügung gestellt. Für die an dem Konsortium beteiligten Banken bedeutet dies, dass sie die Gestaltungsrechte für ihre eigene Kreditposition nicht nach Belieben ausüben können, sondern einer Konsortialdisziplin unterworfen sind. Das zeigt sich etwa bei der Kündigung des Kredits, die in der Regel mindestens einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Konsorten, gemessen an ihrer Beteiligungshöhe, bedarf. Diese Konsortialdisziplin kann für das kreditnehmende Unternehmen den Vorteil haben, dass einzelne Kreditgeber, die den Kreditvertrag kündigen möchten, sich im Zweifel nicht durchsetzen können. Andererseits bergen Unstimmigkeiten im Konsortium stets die Gefahr, dass sich die Sanierungsverhandlungen in die Länge ziehen und der Sanierungserfolg dadurch gefährdet wird.

Im nächsten und letzten Teil unserer Serie werden wir Sanierungsbeiträge der Banken beleuchten, mit denen eine Überschuldung des Unternehmens beseitigt werden kann.