8. Januar 2016 | Stephan R. Göthel

Gibt es für Start-ups und die Technologiebranche nach dem Entwurf des Anti-Angel-Gesetzes neues Störfeuer aus Berlin? Und diesmal insbesondere für den Markt der Unternehmenskäufe (M&A)?

Diese Frage stellt sich, wenn man hört, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Fusionskontrolle für digitale Unternehmen verschärfen will. Bisher prüft das Bundeskartellamt Unternehmenszusammenschlüsse nur dann, wenn die Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen erreichen. So sollen wirtschaftlich unerhebliche Fälle von der Kontrolle ausgenommen werden. Nun überlegt das Bundeswirtschaftsministerium, bei digitalen Unternehmen alternativ auf den Transaktionswert abzustellen. Damit sollen insbesondere Unternehmenskäufe erfasst werden, bei denen etwa der Kaufpreis für Start-ups besonders hoch ist, die Schwellenwerte jedoch nicht erreicht werden.

Doch wen will man hier eigentlich schützen? Der Wettbewerb wäre ein legitimes Schutzziel, denn die Fusionskontrolle soll den Wettbewerb erhalten und marktbeherrschende Stellungen vermeiden. Dafür ist der Transaktionswert jedoch kein geeignetes Kriterium. Er ist Verhandlungssache der Parteien und sagt wenig darüber aus, wie sich die Transaktion auf den Wettbewerb auswirkt. Geht es also um den Schutz von Start-ups? Doch kein Gründer ist gezwungen, sein Unternehmen zu verkaufen. Es sei denn, er sieht in einem Verkauf den einzigen Weg für Wachstum und Marktdurchdringung.

Und damit sind wir beim eigentlichen Problem der Technologiebranche. Wir haben ein Finanzierungs- und weniger ein Wettbewerbsthema. Dieses wirkt sich auf die Wachstumsmöglichkeiten von Start-ups aus. Und damit auch auf den deutschen M&A-Markt in der Tech-Branche. Insbesondere im Vergleich zu den USA. Man denke nur an die US-Giganten Alphabet/Google, Apple, Facebook und Amazon. Alles ehemalige Start-ups, die zudem jetzt finanziell hervorragend für M&A-Transaktionen ausgestattet sind.

Die Finanzierungssituation für deutsche Start-ups hat sich zwar verbessert. So ist das Anti-Angel-Gesetz wohl vom Tisch. Aber es gibt noch viel zu tun, insbesondere um Wachstumsfinanzierungen zu fördern. Eine kurzfristig wirkende Maßnahme wäre etwa, dass die Bundesregierung sicherstellt, dass Verlustvorträge beim Einstieg neuer Investoren bestehen bleiben. Das würde die Attraktivität von Start-ups für Investoren erhöhen. Auch steht die Koalition in der Pflicht, das schon im Koalitionsvertrag angekündigte Venture-Capital-Gesetz umzusetzen und damit das regulatorische Umfeld für Wagniskapitalgeber zu verbessern. Und schließlich sollten die Gedanken über die Änderung der Fusionskontrolle für Digitalunternehmen schnell wieder in der Schublade verschwinden oder präzisiert werden, um die Start-up- und Technologiebranche nicht weiter zu verunsichern.

Lesen Sie den Gastkommentar von Stephan R. Göthel im Handelsblatt vom 6. Januar 2016 auch hier.