4. Juli 2016 | Oliver Rossbach

Gläubiger, die ihren Schuldner in der Krise weiterfinanzieren wollen, sind mit Blick auf eine später doch eintretende Insolvenz ernst zu nehmenden Risiken ausgesetzt: Sie müssen sich einerseits gegen den Vorwurf schützen, nur aus eigennützigen Gründen gehandelt und damit gleichzeitig andere Gläubiger über die Solvenz ihres Schuldners getäuscht zu haben (Gläubigergefährdungs- und Insolvenzverschleppungshaftung). Und andererseits können spätere Zahlungen, die sie vom Schuldner z.B. aufgrund von Vergleichsvereinbarungen erhalten haben, anfechtbar sein – und zwar bis zu zehn Jahren ab Insolvenzantrag rückwirkend (vgl. § 133 InsO). Diese Risiken können anerkanntermaßen nur vermieden werden, wenn Gläubiger ihre Sanierungsbeiträge auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erbringen, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.

Neues BGH-Urteil  

Der BGH hat in einem neuen Urteil in dankenswerter Klarheit dargelegt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegt, das Gläubiger vor den genannten Risiken schützt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – IX ZR 65/14) . Der zugrunde liegende Fall betraf die Anfechtung einer im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung geleisteten Teilzahlung des Schuldners an einen seiner Gläubiger. Die betreffende Vergleichsvereinbarung erfüllte nicht die Voraussetzungen eines schlüssigen Sanierungskonzepts.

Checkliste

Hier die Voraussetzungen im Einzelnen:

Kenntnis über Ursachen, Maßnahmen und positive Fortführungsprognose

Ein Gläubiger kann nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzepts informiert ist. Dazu gehören zwingend (1) die Ursachen der Insolvenz (= nur Probleme auf der Finanzierungsseite oder auch operative Krise?), (2) die Maßnahmen zu deren Beseitigung (= Schuldenschnitt, Einwerbung neuen Kapitals, Umstrukturierungen etc.) und (3) eine positive Fortführungsprognose. Die positive Fortführungsprognose muss nachvollziehbar und vertretbar sein. Ein Gläubiger muss damit rechnen können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt.

Keine fachmännische Prüfungspflicht des Gläubigers

Ein Gläubiger ist aber nicht verpflichtet, das Sanierungskonzept des Schuldners fachmännisch zu prüfen oder prüfen zu lassen. Er darf sich vielmehr auf die Angaben des Schuldners oder dessen Berater zu den Erfolgsaussichten des Konzepts verlassen. Doch Vorsicht: Dies gilt nur so lange, wie der Gläubiger keine Anhaltspunkte dafür hat, dass man ihn täuschen will oder dass der Plan keine Chancen auf einen dauerhaften Erfolg bietet. Gläubiger müssen hier insbesondere aufpassen, wenn sich – wie in dem zitierten BGH-Urteil – ein Sanierungskonzept darauf beschränkt, dass Gläubiger quotal auf ihre Forderungen verzichten sollen. Denn diese Maßnahme kann offensichtlich nur dann erfolgversprechend sein, wenn der Insolvenzgrund allein aus einem Finanzierungsproblem, wie z.B. einem Forderungsausfall, resultiert, das Schuldnerunternehmen aber ansonsten profitabel arbeitet. Das allerdings dürfte in Sanierungsszenarien eher die große Ausnahme sein, die dann auch nachvollziehbar im Sanierungskonzept darzulegen wäre.

Kein IDW S 6 Standard erforderlich

Der Sanierungsplan des Schuldners muss nicht die formalen Anforderungen erfüllen, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer e.V. in dem IDW Standard S 6 (IDW S 6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben.

Praxistipp

Gläubiger, die bereit sind, ihrem Schuldner durch Sanierungsbeiträge aus der Krise zu helfen, sollten auf die Vorlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts bestehen, das die hier skizzierten Mindestanforderungen erfüllt. Ansonsten handeln diese Gläubiger unter Inkaufnahme von erheblichen Anfechtungs- und Haftungsrisiken. Umgekehrt sollte jedes sanierungsbereite Unternehmen seinen Gläubigern von sich aus ein solches schlüssiges Sanierungskonzept vorlegen. Denn dies wird die Bereitschaft der Gläubiger, die Sanierung zu unterstützen, deutlich steigern.

 

Dr. Oliver Rossbach