19. April 2017 | Oliver Rossbach

Alea iacta est: Die Briten haben den Austrittsmechanismus nach Artikel 50 des EU-Vertrags in Gang gesetzt und werden die Europäische Union verlassen. Ungewiss bleibt lediglich, wie das Vereinigte Königreich und die Europäische Union ihr Verhältnis neu regeln werden. Niemand weiß, welche Veränderungen das englische Wirtschafts- und Prozessrecht dadurch erfahren wird. Zumindest im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten wird es Änderungen geben. Nicht auszuschließen ist, dass notwendige Anpassungen darüber hinaus dazu genutzt werden, weitergehende Reformen umzusetzen. Vieles ist im Fluss. Damit stellt sich für Unternehmen und Banken unter dem Gesichtspunkt eines vorausschauenden Managements ihrer Rechtsrisiken auch die Frage, welchem Recht sie zukünftig internationale Finanzierungsverträge unterstellen sollen.

 

Englisches Recht im Finance bislang dominierend

Das auf Verträge anwendbare Recht kann von den Parteien grundsätzlich frei gewählt werden (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO). Gerade in internationalen Finanzierungsverträgen dominiert bislang das englische Recht. Und zwar nicht nur, weil die in unterschiedlichen Staaten domizilierten Parteien sich oftmals als Kompromisslösung auf eine „neutrale“ angesehene Rechtsordnung geeinigt haben, sondern vielfach deshalb, weil das bei der Wahl deutschen Rechts stets unerwünschte Damoklesschwert der AGB-Kontrolle mithilfe der Wahl englischen Rechts vermieden werden sollte. Entscheidend war bislang ebenso die große Bedeutung Londons als internationaler Finanzplatz und bei größeren Syndizierungen die Beteiligung von Banken aus verschiedenen Ländern, die mit dem englischen Recht offensichtlich vertrauter waren.

Wahl deutschen Rechts und Gerichtsstands nunmehr ratsam

Diese starke Neigung zur Wahl englischen Rechts sollte überdacht werden. Zwar sind Veränderungen mit Auswirkung auf das englische Recht nicht von heute auf morgen zu erwarten; aber erst dann zu reagieren, wenn Veränderungen konkret bevorstehen, könnte gerade beim Abschluss von lange laufenden Finanzierungsverträgen der falsche Ratschlag sein. Denn ob ein später geändertes englisches Recht weiterhin und an entscheidender Stelle dasjenige englische Recht ist, das die Parteien ursprünglich vereinbaren wollten, ist völlig unklar. Diese Unsicherheit kann durch die Wahl deutschen Rechts von vornherein vermieden werden.

Gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen

Zudem ist schon bei Abschluss eines Vertrags zu bedenken, dass das gewählte Recht nur so gut ist, wie es sich auch im Ernstfall bewährt. Insofern ist entscheidend, wo ich mein Recht im worst case später einmal durchsetzen will (oder muss). Damit sind Fragen der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen berührt. Das wiederum sind zwar zunächst prozessuale Themen, welche die Zuständigkeit der Gerichte, den sogenannten Gerichtsstand, betreffen, die aber mit dem anwendbaren Recht aufs engste verwoben sind. Denn auch wenn es theoretisch möglich ist, für Gerichtsstand und anwendbares Recht unterschiedliche Jurisdiktionen zu wählen, vereinbaren Vertragsparteien in aller Regel einen Gerichtsstand in demjenigen Staat, dessen Recht sie für anwendbar erklären. Denn durch diesen Gleichklang wird am ehesten der erforderliche Sachverstand des angerufenen Gerichts sichergestellt. Aus diesem Grund ist bei der Wahl englischen Rechts regelmäßig automatisch auch die Zuständigkeit englischer Gerichte vereinbart worden. Was aber passiert, wenn die Anerkennungs- und Vollstreckungserleichterungen, die englische Urteile heute qua EU-Recht innerhalb der Mitgliedstaaten genießen, im Zuge des Austritts Englands aus der EU wegfallen? Englische Urteile wären dann plötzlich so zu behandeln wie die Urteile von Drittstaaten. Sie wären nur noch nach den strengeren Voraussetzungen der jeweiligen autonomen internationalen Zivilverfahrensrechte in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken. Statt einer im EU-Recht vorgesehenen automatischen Anerkennung wäre oftmals ein zusätzliches Anerkennungsverfahren zu durchlaufen. Das kostet im Ernstfall mehr Geld, vor allem aber entscheidende Zeit. Auch dieser Aspekt spricht für die Wahl eines deutschen Gerichtsstands und – damit einhergehend – deutschen Rechts. Eine Ausnahme mag dann gegeben sein, wenn von vornherein feststünde, dass man im Ernstfall in England vollstrecken müsste.

Handlungsempfehlung

Bei der Verhandlung langlaufender internationaler Finanzierungsverträge dürfte in vielen Fällen eine neue Risikoeinschätzung ab jetzt eher für die Wahl deutschen Rechts und, damit einhergehend, die Wahl eines deutschen Gerichtsstands sprechen. Gleiches gilt für die wichtigen Sicherheitenverträge, soweit nicht der sogenannte lex rei sitae-Grundatz einer Rechtswahl von vornherein entgegensteht. Da schon seit geraumer Zeit auch deutschrechtliche Finanzierungsverträge – gerade im Bereich der Akquisitions-, Investitions-, Projekt- und Assetfinanzierung – den von der Loan Market Association (LMA) entwickelten Mustern folgen und sich daher in Aufbau und Formulierung kaum von den englischrechtlichen Verträgen unterscheiden, ist davon auszugehen, dass das deutsche Recht bei internationalen Vertragspartnern keine Verständnisschwierigkeiten hervorruft, insbesondere da die maßgeblichen Verträge in englischer Sprache entworfen und verhandelt werden. Wer sich im Übrigen von den Vorzügen des – im Vergleich zum englischen Recht zudem wesentlich kostengünstigeren – deutschen Rechts überzeugen möchte, sei auf die Broschüre „Law – Made in Germany“ verwiesen.

Dr. Oliver Rossbach