Wollen Banken einen Darlehensvertrag außerordentlich kündigen, brauchen sie einen Kündigungsgrund (event of default). Kündigungsgründe finden sich entweder in den zugrunde liegenden Allgemeinen Darlehensbedingungen, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank oder Sparkasse, und/oder sie sind einzeln im Darlehensvertrag geregelt. Letzteres ist üblich in größervolumigen Asset-, Projekt- oder Akquisitionsfinanzierungen. Die Hürde, außerordentlich kündigen zu können, ist vergleichsweise hoch, das Vorliegen eines Kündigungsgrundes mitunter nicht eindeutig. Einfacher ist es aus Sicht der Bank, wenn sie aus Darlehensverträgen mittels ordentlicher Kündigung aussteigen kann, weil ein Kündigungsgrund dann gerade nicht erforderlich ist. Ordentlich kündbar sind insbesondere unbefristete Darlehensverträge, also solche, für die eine Laufzeit nicht vereinbart worden ist (vgl. Nr. 19 Abs. 2 AGB Banken und Nr. 26 Absatz 1 AGB Sparkassen). Paradebeispiel dafür ist ein Betriebsmittelkredit, der b.a.w. (= bis auf weiteres) gewährt worden ist. – Doch Vorsicht: Auch die ordentliche Kündigung unterliegt bestimmten Restriktionen.
Verbot der Kündigung zur Unzeit
Eine ordentliche Kündigung darf zunächst nicht zur Unzeit erfolgen. Das ist nach ganz überwiegender Auffassung z.B. dann der Fall, wenn der Kunde
- ausreichende Sicherheiten gestellt hat und ihm aus der unverhältnismäßigen Kündigung ein Schaden droht; oder
- sich in einer (nicht aussichtslosen) Sanierungsphase befindet.
Das Kündigungsverbot zur Unzeit macht allerdings eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung nicht unwirksam; es wird vielmehr eine angemessene Frist von ca. 6-8 Wochen in Gang gesetzt. Und das kündigende Kreditinstitut macht sich u.U. schadensersatzpflichtig.
Verbot der rechtsmissbräuchlichen Kündigung
Zudem darf eine ordentliche Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich sein. Im Unterschied zu einer Kündigung zur Unzeit ist eine rechtsmissbräuchliche Kündigung von Gesetzes wegen automatisch unwirksam. Unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung rechtsmissbräuchlich ist, hat die Rechtsprechung in verschiedenen Fällen herausgearbeitet. Grundsätzlich kann die Entscheidung, ob eine Kündigung tatsächlich rechtsmissbräuchlich ist, nur nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien getroffen werden. Der Grundsatz von Treu und Glaube (§ 242 BGB) verlangt vom betreffenden Kreditinstitut, auf die berechtigten Belange seines Kreditnehmers Rücksicht zu nehmen.
Rechtsmissbrauch wird danach zum Beispiel bejaht für den Fall, dass ein Kreditinstitut
- plötzlich und unerwartet laufende Kreditverhandlungen abbricht und dem Kunden dadurch Schäden entstehen oder
- einen Vertrauenstatbestand durch z.B. monatelanges Dulden einer Kontoüberziehung geschaffen hat und der Kunde sich deshalb auf eine Fortsetzung des bisherigen Verhaltens verlassen durfte.
Angemessene Rückzahlungsfrist
Schließlich haben Banken ihren Kreditnehmern eine angemessene Frist zur Rückzahlung des Darlehens nach Kündigung einzuräumen (vgl. Nr. 19 Abs. 5 AGB Banken). Angemessen dürften im Regelfall vier bis sechs Wochen sein.
Sonderfall Sparkassen
Noch strengere Regeln gelten nach h.M. für Sparkassen: Sie sind aufgrund ihres öffentlichen Auftrags zur Daseinsvorsorge unmittelbar an den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebunden und infolgedessen verpflichtet, einen sachgerechten Grund für eine ordentliche Kündigung vorzubringen. Diese Anforderung hat auch in Nr. 26 Absatz 1 AGB Sparkassen Eingang gefunden. Ein sachgerechter Grund soll gegeben sein, wenn Umstände vorliegen, die eine Sparkasse zu der Beendigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener Beobachter das Verhalten der Sparkasse als Reaktion für nachvollziehbar und der Sachlage angemessen halten muss.
Praxistipp
Banken und Sparkassen sollten sich durch den Umstand, dass ordentliche Kündigungen – anders als außerordentliche Kündigungen – keinen Kündigungsgrund voraussetzen, nicht zu sehr in Sicherheit wiegen, sondern auch im Falle ordentlicher Kündigungen sorgfältig prüfen, ob nicht Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen. Umgekehrt kann es sich für Darlehensnehmer empfehlen, nicht nur bei außerordentlichen Kündigungen durch ihr Kreditinstitut genauer hinzugucken, sondern auch die Rechtmäßigkeit ordentlicher Kündigungen unter die Lupe nehmen, wenn es daran Zweifel gibt.
Dr. Oliver Rossbach