3. August 2016 | Oliver Rossbach

Globalisierungsbedingt machen auch Insolvenzen nicht vor nationalen Grenzen halt. Dazu bedarf es keineswegs des Zusammenbruchs eines weltweit operierenden Konzerns. Vielmehr sind Auslandsbezüge bereits dann gegeben, wenn einzelne Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners in einem anderen Staat als dem der Verfahrenseröffnung belegen sind. Die allermeisten Insolvenzrechte haben einen extraterritorialen Geltungsanspruch (Universalität), wonach sich die Rechtswirkungen eines Verfahrens (insbesondere der Vermögensbeschlag) weltweit erstrecken sollen. Und umgekehrt sind die Rechtsordnungen der meisten Staaten prinzipiell bereit, die Wirkungen eines ausländischen Verfahrens im Inland anzuerkennen. Grenzüberschreitende Themen ergeben sich somit aus der Sicht des deutschen Rechts in zwei Richtungen: Einerseits wenn deutsche Insolvenzverwalter im Ausland tätig werden; andererseits wenn Inländer mit den Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren konfrontiert werden.

Fragestellung

Im letztgenannten Fall sehen sich deutsche Verfahrensbeteiligte, seien es Insolvenzgläubiger, Ab- oder Aussonderungsberechtige, Gerichte, Grundbuchämter oder sonstiges Stellen, häufig Ansprüchen eines ausländischen Insolvenzverwalters (z.B. curateur, trustee, liquidator, administrator, official receiver, administrateur judiciaire, liquidatore giudiziale etc.) ausgesetzt. Um ihre eigene Rechtsposition richtig beurteilen zu können, müssen die inländischen Verfahrensbeteiligten nicht nur wissen, welche Befugnisse die in dem ausländischen Verfahren bestellten Insolvenzverwalter im Einzelfall überhaupt haben, sondern auch, nach welchem Recht sich diese Befugnisse richten und schließlich, wie die Befugnisse in Deutschland durchgesetzt werden können und hier wiederum, ob und wann deutsche Gerichte dafür international zuständig sind.

Rechtsquellen

Ausgangspunkt zur Beantwortung solcher Fragen ist in ihrem Anwendungsbereich die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) einschließlich ihrer Ausführungsbestimmungen (Art. 102 §§ 1-11 EGInsO). Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO gelten etwaige bilaterale Abkommen und im Übrigen die Regelungen des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts (§§ 335-358 InsO). Für Fragen der Vollstreckung findet ergänzend innerhalb ihres Anwendungsbereichs die EuGVVO Anwendung und ansonsten deutsches internationales Verfahrensrecht (ZPO, ZVG, GVG).

Antworten auf die wichtigsten Praxisfragen  

Danach ergibt sich für die wichtigsten Fragestellungen im Grundsatz Folgendes:

  • Die in einem ausländischen Insolvenzverfahren eingesetzten Insolvenzverwalter dürfen ihre Befugnisse nur dann in Deutschland ausüben, wenn die ihrer Bestellung zugrunde liegende ausländische Entscheidung in Deutschland anerkannt wird. Sowohl die EuInsVO als auch das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht sind sehr anerkennungsfreundlich. Voraussetzungen sind insbesondere die internationale Zuständigkeit des ausländischen Insolvenzgerichts und die Vereinbarkeit mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public).
  • Bei einem isolierten ausländischen Hauptinsolvenzverfahren hat der ausländische Hauptinsolvenzverwalter unmittelbare Verfügungsbefugnis in Bezug auf das Inlandsvermögen des Insolvenzschuldners. Hinsichtlich dieses Vermögens darf er sämtliche Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) zustehen. Dies gilt auch für die inhaltliche Ausgestaltung dieser Befugnisse, sofern nicht zum Schutz inländischer Gläubiger deutsches Recht Anwendung findet.
  • Wird auf Antrag neben dem ausländischen Hauptinsolvenzverfahren ein inländisches, auf das hiesige Schuldnervermögen beschränktes Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, enden die unmittelbaren Verfügungsbefugnisse des ausländischen Hauptinsolvenzverwalters auf inländisches Schuldnervermögen. Das Inlandsvermögen unterliegt ab dann der Verfügungsbefugnis des Sekundärinsolvenzverwalters. Die Anerkennungswirkung des Hauptinsolvenzverfahrens besteht nun ausschließlich darin, dass der Hauptinsolvenzverwalter auf das Sekundärinsolvenzverfahren in verschiedener Form Einfluss nehmen kann, seinerseits aber zur Kooperation mit dem Sekundärinsolvenzverwalter verpflichtet ist.
  • Die Haftung ausländischer Insolvenzverwalter wegen der Verletzung insolvenzverfahrensspezifischer Pflichten richtet sich nach der lex fori concursus. Nehmen Insolvenzverwalter hingegen am allgemeinen Rechtsverkehr in Deutschland teil, richtet sich ihre Haftung nach dem Recht, das nach den Regeln des internationalen Privatrechts anwendbar ist.
  • Ausländische Verwalter sind vor deutschen Gerichten grundsätzlich in dem Umfang prozessführungsbefugt, den die ausländische lex fori concursus vorgibt.
  • Die Eröffnung eines anerkennungsfähigen ausländischen Insolvenzverfahrens führt zu einer Unterbrechung aller inländischen Verfahren, die die Insolvenzmasse betreffen.
  • Wollen ausländische Insolvenzverwalter aus Entscheidungen des ausländischen Insolvenzgerichts im deutschen Inland vollstrecken, müssen sie diese Entscheidungen vorher im Rahmen eines sogenannten Exequaturverfahrens in Deutschland für vollstreckbar erklären lassen.

Dr. Oliver Rossbach