2. Dezember 2017 | Oliver Rossbach

Im Rechts- und Wirtschaftsleben begegnen uns hin und wieder Begriffe, von deren Bedeutung wir nur eine unbestimmte Ahnung haben. Vielfach werden zudem Begriffe schlicht verwechselt. In unserer unregelmäßig erscheinenden Serie „Was ist eigentlich…?“ wollen wir hier ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

Der Ausgangspunkt: Aufeinandertreffen von Grundpfandrecht und Insolvenz

Außerhalb einer Insolvenz kann ein Gläubiger, dessen Forderung durch ein Grundpfandrecht (bei Immobilien: Hypothek oder Grundschuld; bei Schiffen: Schiffshypothek) besichert ist, auf folgende Arten Befriedigung aus dem Grundstück bzw. Schiff suchen:

  • Im Fall von Immobilien durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (§§ 1147, 1192 Abs. 1 BGB, §§ 866, 869 ZPO, §§ 15 ff., 146 ff. ZVG); und
  • im Fall von im Schiffsregister eingetragenen Schiffen durch Zwangsversteigerung (§§ 162 ff. ZVG i.V.m. §§ 15 ff., 146 ff. ZVG). Die Möglichkeit der Zwangsverwaltung sieht das Gesetz hier nicht vor. Wird das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilen eingestellt, kann das Gericht im Einverständnis mit dem betreibenden Gläubiger lediglich einen Treuhänder dazu ermächtigen, das Schiff für Rechnung und im Namen des Schuldners zu nutzen (§ 165 ZVG).

In der Insolvenz des Grundpfandschuldners gilt grundsätzlich nichts anderes (§ 49 InsO). Die Vollstreckung in einen massezugehörigen Gegenstand kann allerdings die Verwertungs- oder Sanierungsbemühungen des ebenfalls verwertungsberechtigten Insolvenzverwalters (§ 165 InsO) stören. Umgekehrt kann der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der absonderungsberechtigten Gläubiger bewirken (§§ 30 d, 153 b ZVG). In einem solchen Fall haben wiederum die absonderungsberechtigten Gläubiger einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse auf Kompensation ihrer Nachteile.

Kalte Zwangsverwaltung als Alternative

Um die mit diesem gegenseitigen Störpotenzial verbundenen Nachteile zu vermeiden, hat die Praxis bereits im 19. Jahrhundert die sogenannte kalte Zwangsverwaltung entwickelt. Danach schließen der Absonderungsberechtigte und der Insolvenzverwalter einen Vertrag, auf dessen Grundlage der Insolvenzverwalter einen Teil der Miet- und Pachterlöse des Grundstücks bzw. der Chartererlöse des Schiffes an den absonderungsberechtigten Gläubiger auskehrt und dieser im Gegenzug verpflichtet ist, das Betreiben der regulären Zwangsvollstreckung zu unterlassen. Der Begriff „kalte Zwangsverwaltung“ ist somit höchst irreführend. Denn es handelt sich gerade nicht um eine Zwangsverwaltung, sondern vielmehr um eine vertragsbasierte Alternative zur Zwangsverwaltung mit dem Ziel, eine gesetzliche Zwangsverwaltung zu vermeiden.

Vor- und Nachteile

Der entscheidende Vorteil einer kalten Zwangsverwaltung besteht darin, dass sie den absonderungsberechtigten Gläubigern gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter ermöglicht, ein ganzheitliches, flexibles Verwertungskonzept zu verwirklichen, wie es in dieser Form im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht möglich wäre. Dies gilt sowohl für den Fall der Fortführung des Gewerbebetriebs auf dem grundpfandrechtlich belasteten Grundstück bzw. der Fortführung des Schiffsbetriebs als auch für eine angestrebte freihändige Veräußerung des Grundstücks bzw. Schiffes. Zudem bietet die kalte Zwangsverwaltung die Möglichkeit der Massemehrung, da nur ein Teil der Erlöse aus dem Weiterbetrieb an die Absonderungsberechtigen ausgekehrt wird. Schließlich lassen sich auch die gesetzlich festgelegten Zwangsverwaltungsgebühren vermeiden.

Andererseits ist auch die kalte Zwangsverwaltung nicht umsonst zu haben. Zu nennen sind hier vor allem die aufgrund der Weiterführung des Gewerbe- bzw. Schiffsbetriebs erhöhten Gebühren des Insolvenzverwalters sowie die Kosten für die Instandhaltung und Investitionen in die Immobilie bzw. das Schiff. Diese Kosten entstehen zwar unmittelbar der Insolvenzmasse, sind aber letztlich von den Absonderungsberechtigten zu tragen. Diese steuern überdies regelmäßig einen frei verhandelbaren Massekostenzuschuss bei. Zudem tragen sie Kostenrisiken, die sich aus dem Weiterbetrieb ergeben können. Hier kann es im Fall von Schiffen sogar zu unliebsamen Überraschungen kommen – wegen dort unbekannterweise existierender oder nachträglich entstehender gesetzlicher Schiffsgläubigerrechte nach deutschem oder ausländischem Recht (maritime liens). Schließlich kann es Störfeuer von nachrangigen Grundpfandrechtsgläubigern geben, die es auf eine sogenannte Lästigkeitsprämie abgesehen haben. Steuerliche Risiken sind ebenfalls zu beachten.

Handlungsempfehlung

Wenn sich die Parteien nach Abwägung aller Vor- und Nachteile im Einzelfall für eine kalte Zwangsverwaltung entschieden haben, ist auf ihre professionelle vertragliche Umsetzung höchste Sorgfalt zu verwenden. Der Vertrag sollte zumindest regeln: (1) die Dauer der kalten Zwangsverwaltung, (2) die Kostentragung, (3) die Auskehr der Erlöse aus dem Weiterbetrieb, (4) die Höhe der bei der Masse verbleibenden Erlöse, (5) die Verpflichtung der Absonderungsberechtigten, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, (6) die Rechnungslegung des Insolvenzverwalters, (7) die freihändige Veräußerungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters, (8) seine Vergütung sowie ggf. (9) die Behandlung steuerlicher Fragen.

Immer aber ist darauf zu achten, dass die Grenze der Insolvenzzweckwidrigkeit nicht überschritten wird. Danach ist die kalte Zwangsverwaltung immer dann unzulässig, wenn die beteiligten absonderungsberechtigten Gläubiger auf Kosten der nichtabsonderungsberechtigten Gläubiger mehr erhalten, als sie im Rahmen einer regulären Zwangsverwaltung erhalten würden.

Dr. Oliver Rossbach