14. August 2020 | Team

Hintergrund

Die Übertragung einzelner Kredite oder Kreditportfolien (einschließlich der für die zu übertragenden Kredite bestellten Sicherheiten) geht in der Regel mit einer vergleichsweise umfangreichen Vertragsdokumentation einher. Dabei sind in der Praxis zwei unterschiedliche Übertragungsvarianten anzutreffen: Die Übertragung per Abtretung und die Übertragung durch Vertragsübernahme. Beiden Strukturierungsvarianten ist gemein, dass ihnen (schuldrechtlich) ein Kaufvertrag zugrunde liegt. Wesentlich sind hingegen die Unterschiede in den Rechtsfolgen.

Die Vertragsparteien einer Kredit(-Portfolio)-Transaktion sollten daher gut ausloten, ob die Übertragung der Kredite „nur“ durch eine Abtretung oder durch eine vollumfängliche Vertragsübernahme erfolgen soll. Denn natürlich sollten zivilrechtliche Erwägungen ebenso Eingang in die Entscheidung über die Gestaltung einer Transaktion finden, wie kommerzielle und steuerliche Aspekte. Wie so häufig gilt: Wer im Vorhinein die Transaktion unter Beachtung sämtlicher Aspekte sorgfältig strukturiert, vermeidet das „Böse Erwachen“ im Nachhinein.

Implikationen der typischen Transaktionsarten auf die Rechtspositionen der Parteien

Der rechtliche Unterschied zwischen der Abtretung gem. § 398 BGB einerseits und der (nicht ausdrücklich gesetzlich geregelten, aber allgemein anerkannten) Vertragsübernahme andererseits ist schnell erklärt:

  • Bei einer Abtretung werden ausschließlich die Forderungen und Rechte – nicht hingegen die Verpflichtungen – aus dem Kreditvertrag sowie den Sicherheitenverträgen auf den Erwerber („Zessionar“) übertragen; der Veräußerer („Zedent“) bleibt somit weiterhin Vertragspartei der betreffenden Verträge.
  • Hingegen tritt bei der Vertragsübernahme der Erwerber vollumfänglich in die Rechtsposition des Veräußerers als Vertragspartei der betreffenden Kredit- und Sicherheitenverträge ein – mit allen Rechten und Pflichten.

Dieser rechtliche Unterschied hat für die Parteien einer Kredit(-portfolio)-Transaktion auf den ersten Blick kaum eine kommerzielle Relevanz. Denn der Käufer bekommt in beiden Fällen dasjenige Wirtschaftsgut übertragen, auf das es ihm wirtschaftlich ankommt: Die Forderungen (und sonstigen Rechte) aus dem Kreditvertrag und den Sicherheitenverträgen. Hinzu kommt: Wer möchte schon (im Wege einer Vertragsübernahme) Verpflichtungen  erwerben, wenn er das maßgebliche Wirtschaftsgut (per Abtretung) auch ohne Verpflichtungen übertragen bekommen kann? Eine genauere rechtliche Analyse, die in der Praxis bedauerlicherweise zu häufig zu unterbleiben scheint, offenbart allerdings, dass die mit der Abtretung einhergehende Aufspaltung des Rechteinhabers einerseits vom Vertragspartner und Verpflichteten andererseits mit ernstzunehmenden Rechtsunsicherheiten einhergeht.

Darlehensvertrag

  • Fraglich ist beispielsweise, welche Auswirkungen eine Abtretung auf sog. Undertakings/Covenants und sonstige Verpflichtungserklärungen der Vertragsparteien des Darlehensvertrages hat. Kann der Zessionar als bloßer Kreditforderungserwerber die Einhaltung der Verpflichtungen vom Darlehensnehmer verlangen? Man könnte zwar argumentieren, dass aus jeder Verpflichtung des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber spiegelbildlich das Recht des Darlehensgebers erwächst, die Einhaltung dieser Verpflichtung bzw. die Unterlassung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zu verlangen. Genau diese Ansprüche könnten, so die Argumentation, von der Abtretung der Kreditforderung an den Erwerber umfasst sein. Es ist allerdings offensichtlich, dass alleine die Notwendigkeit einer solchen (nicht unangreifbaren) Argumentationskette eine gewisse Rechtsunsicherheit in sich birgt und deshalb, wenn möglich, von vornherein vermieden werden sollte.
  • Unklar ist des Weiteren, inwieweit Modifikationen/Abänderungen der abgetretenen Rechte/Forderungen einer Zustimmung beider Vertragsparteien und damit auch der des Veräußerers erfordern. Unzweifelhaft ist zwar, dass der Veräußerer nach der Abtretung als Nichtberechtigter zu qualifizieren ist und deshalb ohne die Mitwirkung des Erwerbers nicht mehr wirksam über die abgetretenen Forderungen/Rechte verfügen kann – etwa durch Stundung oder Erlass –, wenn der Darlehensnehmer die Abtretung kennt (§ 407 BGB). Wenn aber rechtliche Parameter der abgetretenen Rechte/Forderungen geändert werden sollen, die im Ergebnis eine Änderung der betreffenden Vertragsdokumentation darstellen – etwa die Suspendierung von einzuhaltenden Verpflichtungen (z.B. Financial Covenants) oder die Verlängerung der Darlehenslaufzeit (Prolongation), der Zinshöhe oder von Zinsfälligkeiten –, kann durchaus Gegenstand einer Diskussion sein, ob eine Mitwirkung des Veräußerers als Vertragspartei erforderlich ist.

Es versteht sich von selbst, dass jegliche Einflussnahme des Veräußerers auf die Rechtsposition des Erwerbers nicht gewollt wäre: Der Veräußerer wird jeden Arbeitsaufwand in Verbindung mit dem Darlehensvertrag wegen der erfolgten wirtschaftlichen Verwertung der Forderungen/Rechte vermeiden wollen. Aus seiner Perspektive hat er wirtschaftlich – und möglicherweise irrig auch rechtlich – nichts mehr mit dem Kreditverhältnis zu tun. Der Erwerber wird demgegenüber als Forderungs- und Rechteinhaber jegliche Mitwirkung des Veräußerers an Entscheidungen im Darlehensverhältnis als unberechtigte Einwirkung auf seine Rechtsposition empfinden.

Exkurs Bankaufsichtsrecht: Aus den vorstehenden Ausführungen folgt gleichzeitig ein Argument, dass im Rahmen der Übertragung von Krediten oder Kreditportfolien auf Erwerberseite für den „Abtretungsweg“ vorgebracht werden könnte: Die Vermeidung der Begründung eines KWG-erlaubnispflichtigen Kreditgeschäftes auf Erwerberseite. Hintergrund ist, dass derjenige, der im Inland Kreditgewährungsgeschäft erbringen will, der vorherigen schriftlichen Erlaubnis durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bedarf, sofern die geplanten Geschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbracht werden sollen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Eine Erlaubnispflicht auslösende Kreditgewährung ergibt sich dabei zwar nicht per se aus der Übernahme eines Darlehensvertrages, ist aus aufsichtsrechtlicher Perspektive jedoch z.B. bei der Prolongation sowie bei tiefgreifenden Änderungen der Tilgungsstruktur eines Darlehens anzunehmen, mitunter auch bei wesentlichen Änderungen der Zinshöhe, und damit in Fällen, in denen aus zivilrechtlicher Perspektive eine Vertragsänderung erfolgt. Schließt man sich nun der oben skizzierten Auffassung an, wonach eine solche (tiefgreifende) Darlehensvertragsänderung im Falle des „Abtretungswegs“ nur unter Mitwirkung des originären Darlehensgebers möglich ist, so hat der Erwerber, sofern er sich für den Abtretungsweg entscheidet, aus aufsichtsrechtlicher Perspektive zumindest ein Argument „im Köcher“, dass gegen eine KWG-Erlaubnispflicht spricht – freilich unter Inkaufnahme des damit korrespondierenden Risikos der Einschränkung der „zivilrechtlichen Flexibilität“.

Sicherungsabtretungen

Noch „greifbarer“ werden die mit einer Übertragung eines Kredites/Kreditportfolios per Abtretung einhergehenden Rechtsrisiken, wenn man die Implikationen auf etwaige zur Absicherung der Kreditforderungen vereinbarte Sicherungsabtretungen betrachtet. Zunächst zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer solche Sicherungsabtretung: Sie ist eine treuhänderische („fiduziarische“) Sicherheit, bei der der Sicherungsnehmer (der Darlehensgeber) und Abtretungsempfänger gegenüber dem jeweiligen Sicherungsgeber im Rahmen eines eigennützigen Treuhandverhältnisses hinsichtlich der Verfügung über die abgetretenen Rechte/Forderungen schuldrechtlich gebunden ist. Kautelarjuristisch wird dies erreicht durch die Verpflichtung des Sicherungsnehmers gegenüber dem Sicherungsgeber, ausschließlich insoweit über die abgetretenen Rechte/Forderungen zu verfügen, als dies zur Realisierung seines Sicherungsinteresses erforderlich ist (sog. Sicherungszweck).

  • Im Rahnen der Übertragung eines Kredites/Kreditportfolios per Abtretung tritt der Sicherungsnehmer die vom Sicherungsgeber abgetretenen Rechte/Forderung weiter an den Erwerber ab. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob eine solche Übertragung nach der bestehenden Vertragsdokumentation überhaupt zulässig ist. Denn eine Verwertung der Forderung (und damit auch deren Abtretung) darf wegen der treuhänderischen Bindung in der Regel ausschließlich dann vorgenommen werden, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist. Sofern der Sicherungsnehmer eine Abtretung entgegen der Treuhandabrede vollzieht, macht er sich gegenüber dem Sicherungsgeber schadensersatzpflichtig.
  • Aber selbst wenn diese (häufig nicht erkannte) Hürde überwunden wird, etwa weil der Sicherungsgeber der Abtretung ausdrücklich – oder durch Regelungen der Vertragsdokumentation antizipiert – zustimmt, stellt sich die weitere Frage, wie die abgetretene Forderung aus dem Sicherheitenvertrag „in der Hand“ des Erwerbers rechtlich zu qualifizieren ist. Mangels Übernahme von Verpflichtungen ist der Erwerber nämlich gerade nicht der treuhänderischen Bindung des Sicherungsvertrages unterworfen. Der Sicherungszweck „belastet“ vielmehr weiterhin alleine den Veräußerer. Der Erwerber erwirbt damit im Ergebnis eine „sicherungszweckentkleidete“ Forderung. Diese dürfte er – entgegen der ursprünglichen Sicherungszweckvereinbarung zwischen Darlehensnehmer und Sicherungsgeber – auch ohne Eintritt des Sicherungsfallles grundsätzlich ohne Weiteres verwerten; eine Sicherheit im rechtlichen Sinn ist eine solche Forderung mithin nicht mehr. Selbstverständlich ist dieses Ergebnis von den Parteien nicht gewollt. Sofern der Sicherungsgeber einer Übertragung der Sicherungsabtretungen nicht zugestimmt haben sollte, stellt sich überdies die Frage, ob einer Verwertung der Forderungen durch den Erwerber ein Rückabtretungsanspruch gegenüber dem Veräußerer entgegengehalten werden kann. Dieser dürfte in einem solchen Fall deshalb bestehen, weil der Sicherungszweck im Verhältnis ursprünglicher Sicherungsnehmer/Sicherungsgeber durch die Übertragung der Forderung entfallen ist.
  • Schließlich könnte ein „sicherungszweckentkleideter“ Forderungserwerb auch (unerwünschte) steuerliche und bilanzielle Effekte mit sich bringen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang lediglich darauf, dass die Treuhandvereinbarung einer Sicherungsabtretung dazu führt, dass die Forderung wirtschaftlich weiterhin dem Vermögen des Treugebers – d.h. dem Sicherungsgeber – und nicht dem des Sicherungsnehmers zuzuordnen ist und damit (trotz Abtretung) allein beim Treugeber zu aktivieren ist. Entfällt die Treuhandabrede aufgrund der Abtretung der Forderung ohne gleichzeitige Übernahme der Treuhandbindung, so stellt sich die Frage, ob die Forderung beim ursprünglichen Treugeber auszubuchen und beim Sicherungsnehmer zu aktivieren ist; dieser Effekt dürfte in keinem Fall dem Parteiwillen entsprechen.

Kautelarjuristische Gestaltungsmöglichkeiten

Obwohl der vorstehend skizzierte Problemkreis im Zusammenhang mit Sicherungszweckvereinbarungen bei Kredit-(Portfolio)-Transaktionen in der bankrechtlichen Standardliteratur ausdrücklich thematisiert wird, scheint es so, als sei ein entsprechendes Risikobewusstsein in der kautelarjuristischen Beratungspraxis bislang nicht überall angekommen. In vielen Fällen wird sich eine Vertragsübernahme und nicht lediglich eine Abtretung empfehlen. Denn diese Transaktionsstruktur umgeht sämtliche der aufgezeigten Rechtsprobleme ohne ins Gewicht fallenden Mehraufwand. Sollte aus steuerlichen, bilanziellen oder aufsichtsrechtlichen Gründen eine Vertragsübernahme nicht gewollt oder zivilrechtlich nicht durchführbar sein – etwa weil der Veräußerer die abgetretenen Rechte selbst „lediglich“ per Abtretung erworben hat –, besteht zwar die Möglichkeit, durch geschickte rechtliche Gestaltungen eine ungünstige Rechtslage zumindest „abzufedern“. Klar ist aber auch, dass sämtliche zusätzliche Vereinbarungen die Transaktionsstruktur wie auch das allgemeine „Vertragshandling“ verkomplizieren und zu weiteren Rechtsfragen führen können. Daher sind bereits in der Strukturierungsphase jeder Transaktion sämtliche Implikationen sauber zu durchdenken.

Dr. Oliver Rossbach (oliver.rossbach@pier11.de)

Dr. Martin Fornoff (martin.fornoff@pier11.de)