23. Dezember 2016 | Oliver Rossbach

Im Rechts- und Wirtschaftsleben begegnen uns hin und wieder Begriffe, von deren Bedeutung wir nur eine unbestimmte Ahnung haben. Vielfach werden zudem Begriffe schlicht verwechselt. In unserer unregelmäßig erscheinenden Serie „Was ist eigentlich…?“ wollen wir hier ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

Der Ausgangspunkt: Sicherheitenbestellung durch Tochter oder Schwesterunternehmen

In Konzern- oder Akquistionsfinanzierungen kommt es nicht selten vor, dass eine Tochter- oder Schwestergesellschaft für die Kreditverbindlichkeiten ihres Gesellschafters Sicherheiten bestellen muss – sogenannte up-stream-Sicherheiten (bei einer Tochtergesellschaft) bzw. cross-stream-Sicherheiten (bei einer Schwestergesellschaft).

Die Gefahr: Schadensersatzpflicht wegen Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften

Dies ist nicht ganz unproblematisch, denn die Tochter- oder Schwestergesellschaft kann durch die Stellung solcher Sicherheiten gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG; §§ 57, 62 AktG) verstoßen. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften ist nur dann ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der drohenden Verwertung der betreffenden Sicherheit zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ein Beherrschungs- oder Gewinn­abführungs­­vertrag (§ 291 AktG) besteht oder die Gesellschaft gegen den Gesellschafter einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgriffsanspruch wegen der Gewährung der Sicherheit hat (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG; § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Bestellung von up-stream– und cross-stream-Sicherheiten ist auch dann wirksam, wenn ihre Gewährung gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstößt. Die Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes treffen vielmehr die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder der sicherungsgebenden Tochter- oder Schwestergesellschaft, die sich schadensersatzpflichtig machen können (§ 43 Abs. 3 Satz 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG).

Der Schutz: Limitation Language

Um ein solches Haftungsrisiko auszuschließen, wird häufig über die Aufnahme einer sogenannten limitation language in die Finanzierungsverträge verhandelt. Gemeint sind damit Regelungen, die das Recht der Bank, up-stream– und cross-stream-Sicherheiten zu verwerten, beschränken sollen. Solche Verwertungsbeschränkungen sind nicht nur aufgrund des deutschen Gesellschaftsrechts gebräuchlich. Vielmehr kennen die Gesellschaftsrechte der meisten Rechtsordnungen die den up-stream– und cross-stream-Sicherheiten zugrunde liegenden Fallgestaltungen der corporate benefit oder der financial assistance.

Die gängigen Vertragsbestimmungen schränken demnach das Recht des Sicherungsnehmers ein, Zahlungen unter Personalsicherheiten zu fordern oder Erlöse aus der Verwertung dinglicher Sicherheiten zu vereinnahmen, wenn hierdurch eine Unterbilanz ausgelöst oder vertieft wird. Somit kann die Bank lediglich auf den Teil des Vermögens der sicherungsgebenden Gesellschaft zugreifen, um den bei bilanzieller Betrachtungsweise das Nettovermögen den Betrag der Stammkapitalziffer übersteigt (sogenanntes ungebundenes Vermögen). Alternativ sind Vereinbarungen anzutreffen, wonach der Sicherungsnehmer die Sicherheiten unbeschränkt verwerten darf, den Verwertungserlös jedoch insoweit an den Sicherungsnehmer auszukehren hat, dass die Stammkapitalziffer wieder durch Aktiva gedeckt ist.

Unabhängig davon, wie die limitation language im Einzelnen ausgestaltet ist, führt sie für die Bank im Ergebnis zu einer erheblichen Entwertung der Sicherheiten. Der so „besicherte“ Kredit kommt praktisch einem sehr viel teureren Blankokredit nahe.

Handlungsempfehlung

Sollte eine Einigung über eine angemessene limitation language nicht zu erwarten sein, kann es sich mitunter empfehlen, die Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Wege gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen zu vermeiden. In Betracht kommt etwa die Zusammenführung von Kreditnehmer (Gesellschafter) und Sicherheitengeber (Tochter- oder Schwestergesellschaft) in einer rechtlichen Einheit, z.B. im Wege der Verschmelzung (Upstream oder Downstream Merger, vgl. §§ 2 ff. UmwG). Auch können Kredit und Sicherungsgegenstände zusammengeführt werden, z.B. dadurch, dass die Tochter- bzw. Schwestergesellschaft die Kreditverbindlichkeiten ihres Gesellschafters im Wege der befreienden Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB) übernimmt (sog. Debt Push-down).

Dr. Oliver Rossbach