13. Januar 2016 | Oliver Rossbach

Die Qualität der Finanzierung eines Unternehmens hat wesentlichen Einfluss darauf, ob es erfolgreich ist oder nicht. Dennoch ist vielen Finanzchefs gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht immer bewusst, welche Möglichkeiten ihnen bei der Finanzierung offen stehen. Die meisten setzen nach wie vor hauptsächlich auf Bankkredite, die zwar bonitätsstarken Unternehmen derzeit im Überfluss und zu günstigen Konditionen angeboten werden, bonitätsschwachen Unternehmen dagegen nicht. Unabhängig davon aber ist es sinnvoll, bei der Finanzierung zu diversifizieren, um nicht von einzelnen Finanzierungspartnern abhängig zu sein. Dieses Verständnis zu wecken ist Ziel unserer losen Folge von Beiträgen, in der wir alternative Finanzierungsformen zum Bankkredit vorstellen. Nachdem wir uns im ersten Teil mit Schuldscheindarlehen beschäftigt haben, berichten wir heute über Private Debt.

Teil 2: Private Debt

Private Debt ist ein Sammelbegriff für das Bereitstellen von Fremdkapital durch Nichtbanken. In den USA schon seit langem etabliert, hat diese Finanzierungsform inzwischen ihren Weg nach Europa und speziell auch nach Deutschland gefunden. Kreditnehmer sind überwiegend Unternehmen aus dem Mid Market-Bereich mit Jahresumsätzen zwischen etwa 50 Mio. Euro und 1 Mrd. Euro, die vielfach kein Investment Grade-Rating haben.

Auf Kreditgeberseite treten nicht nur einzelne Investoren auf, die unabhängig voneinander im Wege eines single investment agieren, sondern in jüngster Zeit vermehrt auch sogenannte Kreditfonds – entsprechend den Private Equity Fonds auch als Private Debt Fonds bezeichnet. Dahinter stehen regelmäßig institutionelle Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen, Versorgungswerke und Family Offices.

Dieser Entwicklung kam zugute, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mitte 2015 ihre Verwaltungspraxis geändert hat. Seitdem sieht die BaFin die Vergabe von Darlehen sowie die Darlehensrestrukturierung und –prolongation durch Private Debt Fonds als Alternative Investmentfonds („AIF“) grundsätzlich als fonds- und bankaufsichtsrechtlich zulässig an.

Wirtschaftliche Eckdaten und Vertragsdokumentation

  • Finanzierungsvolumina: Single Investments von 5 bis ca. 20 Millionen Euro; Kreditvergabe unter Mitwirkung eines Kreditfonds von 20 bis ca. 150 Millionen Euro, wobei im Einzelfall auch niedrigere oder höhere Finanzierungsvolumina möglich sind
  • Laufzeit: flexibel, regelmäßig zwischen 3 und 10 Jahren
  • Typischer Verwendungszweck: Wachstumsfinanzierungen (auch für Start-ups, sog. Venture Debt), Finanzierung von Investitionen im Ausland, Unternehmensübernahmen, Finanzierung in Krisen- und Sanierungsszenarien
  • Zinssatz: ca. 7 – 12 %, abhängig von den üblichen Parametern (Bonität, Laufzeit, Sicherheiten, aktueller Kapitalmarkt etc.)
  • Sicherheiten (auch nachrangig): in der Regel zwingend

Auch wenn es keinen vereinheitlichten Marktstandard für die Vertragsdokumentation gibt, orientieren sich die Finanzierungsverträge an den Usancen, die für großvolumige und dann meist syndizierte Bankenkredite gelten. Zudem hat die Loan Market Accociation (LMA) im Jahr 2015 ein Vertragsmuster für „European Private Placements“ in Form von Darlehen oder Anleihen herausgegeben, das auch bei Private Debt-Transaktionen als Orientierungshilfe dienen kann. Jedenfalls werden im Rahmen der Vertragsgestaltung von Private Debt-Transaktionen cum grano salis die bei Bankenfinanzierungen üblichen vom Darlehensnehmer abzugebende Zusicherungen (Representations) und Verpflichtungen (Undertakings), einzuhaltende finanzwirtschaftliche Kennzahlen (Financial Covenants) und außerordentliche Kündigungsgründe (Events of Default) vereinbart werden.

Vorteile

Die Fremdkapitalbeschaffung über Private Debt ermöglicht es Unternehmen, unabhängig von der Mitwirkung einer (Haus-) Bank eine dem konkreten Finanzierungsbedarf entsprechende Finanzierung zu strukturieren. Insbesondere wenn Banken aufgrund mangelnder Profitabilität des Geschäfts bzw. einer damit einhergehenden finanziellen Schieflage oder aus bloßer Unerfahrenheit in Bezug auf das zu finanzierende Geschäftsfeld nicht (mehr) bereit sind, dem Unternehmen Geldmittel zu Verfügung zu stellen, kann eine Finanzierungslücke durch Private Debt geschlossen werden. Zwar ist eine solche Fremdkapitalbeschaffung erheblich teurer als ein Bankkredit, wenn auch immer noch günstiger als Private Equity. Der Vorteil liegt jedoch in der flexibleren Gestaltung der Finanzierungsbedingungen sowie in einem wesentlich schnelleren und schlankeren Kreditvergabeprozess.

Private Debt-Finanzierungen sind demnach insbesondere dann sinnvoll, wenn eine Finanzierung sehr kurzfristig benötigt wird oder der Finanzierungsbedarf zu speziell, komplex oder risikoreich für eine klassische Bankfinanzierung ist, etwa bei einer auf dem Markt neuartigen und innovativen Geschäftsidee, bei Expansionen ins Ausland oder im Rahmen von Sanierungs- oder Restrukturierungsszenarien.

Es gilt jedoch zu beachten, dass die Flexibilität der Finanzierung von den konkret vereinbarten Finanzierungsbedingungen und damit stets vom Einzelfall abhängt. Aus Sicht des Darlehensnehmers kommt es in den Vertragsverhandlungen daher maßgeblich darauf an, dass etwaige ihn betreffende Verpflichtungen die angestrebte Flexibilität nicht konterkarieren. Zu nennen sind hier insbesondere Dokumentations- und Monitoringpflichten, Zustimmungspflichten für Akquisitionen und die Ausreichung von Gesellschafterdarlehen sowie sonstige Mitspracherechte des Investors.

Darüber hinaus sollte dem kreditsuchenden Unternehmen bewusst sein, dass manche Investoren von vornherein beabsichtigen, über die Vergabe von Krediten letztlich eine Gesellschafterstellung zu erlangen (sog. Loan-to-own-Strategie). Auf eine solche Strategie können die Vereinbarung einer Wandlungsoption für ausstehende Kredite in Eigenkapital oder die Vereinbarung einer Option auf den Erwerb von Unternehmensanteilen nach Darlehensrückzahlung (Equity Kicker) hindeuten.

Fazit

Ungeachtet dessen sind Private Debt-Finanzierungen für Unternehmen eine interessante Möglichkeit, in komplexeren Finanzierungsituationen eine auftretende Finanzierungslücke zu schließen, ohne auf die Mitwirkung einer Bank angewiesen zu sein. Investoren, die mit dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld kämpfen, bietet Private Debt eine unter Renditegesichtspunkten attraktive Anlageklasse. Daher ist zu erwarten, dass sich der gegenwärtige Trend fortsetzen und Private Debt-Finanzierungen verstärkt zum Einsatz kommen werden.