Die Entwicklungen von und die Investitionen in Immobilienprojekte haben in den vergangenen mehr als 10 Jahren einen beispiellosen Boom erlebt, und zwar über nahezu alle Segmente hinweg. Das gilt gleichermaßen für die Finanzierung solcher Immobilienprojekte (Real Estate Finance). Die „Rallye“ geht so lange gut, wie die davon galoppierenden Preise durch niedrige Finanzierungskosten kompensiert werden und die Projekte ihren Kapitaldienst nachhaltig verdienen können. Daran, dass dies in Zukunft gleichermaßen gegeben sein wird, sind indes einige Zweifel angebracht: Blasenbildung bei den Preisen, steigende Baukosten, in bestimmten Märkten auch wegbrechende Miet- oder Pachteinnahmen und damit eine gefährdete Kapitaldienstfähigkeit und schließlich eine angesichts der geopolitischen Entwicklungen sich plötzlich viel schneller als erwartet vollziehende Erhöhung des derzeitigen Zinsniveaus – dies alles führt dazu, dass erstmals seit langer Zeit auch Immobilienfinanzierungen unter Druck geraten werden und sich damit für die Beteiligten Fragen aus dem Bereich der Restrukturierung ergeben. Höchste Zeit also, sich damit frühzeitig zu beschäftigen. Wir möchten daher in einer Reihe von Kurzbeiträgen die typischen Konstellationen und Handlungsmöglichkeiten vorstellen.
Folge 1: Die typische Asset-Finanzierung in der Krise
In Folge 1 unserer Beitragsreihe geben wir einen Überblick über die typische Asset-Finanzierung in der Krise und die Fragen, die sich regemäßig in einer Krisensituation stellen.
Vertragsstruktur einer typischen Immobilienfinanzierung
Der Großteil der zur Finanzierung des Erwerbs und/oder der Entwicklung einer Immobilie erforderlichen Mittel wird typischerweise nicht durch die Gesellschafter der Projektgesellschaft im Rahmen von Eigenkapitalbeiträgen, sondern durch Fremdkapitalgeber bereitgestellt. Dabei unterscheidet man zwischen Senior-, Junior- und Mezzanine-Darlehen:
- Als Senior-Darlehen werden die erstrangig besicherten Darlehen bezeichnet.
- Junior-Darlehen sind im Verhältnis zum Senior-Darlehen aufgrund einer „Rangvereinbarung“ unter den Kreditgebern (sog. Intercreditor/Subordination Agreements) nachrangige Darlehen, d.h. das Junior-Darlehen ist vor etwaigen Mezzanine-Darlehen, Gesellschafterdarlehen und Eigenkapital zu bedienen, jedoch nach dem Senior-Darlehen.
- Mit Mezzanine-Darlehen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit einem sog. qualifizierten Rangrücktritt versehen sind, substituiert der Grundstückseigentümer/-entwickler typischerweise Teile des für das Gesamtfinanzierungsvolumen notwendigen Eigenkapitals.
Die Darlehensvertragsdokumentation von Junior- und Senior-Darlehen größerer Erwerbs-/Projektentwicklungsfinanzierungen orientiert sich dabei üblicherweise an dem Darlehensvertragsstandard der Loan Market Association (LMA), der jedoch i.d.R. – abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Finanzierungsvolumen – vereinfacht und angepasst wird. Daneben werden im inländischen Immobilienfinanzierungsgeschäft auch andere Vertragsmuster für die Darlehensvertragsdokumentation verwendet. Allen Darlehensverträgen ist jedoch gemein, dass sie mindestens Regelungen zu den folgenden Bereichen enthalten: (i) Darlehenszweck, (ii) Auszahlungsvoraussetzungen, (iii) Kapitaldienst (Zinsen, Gebühren, Tilgung), (iv) Kreditsicherheiten, (v) Zusicherungen und Verpflichtungen (Covenants) des Darlehensnehmers und (vi) Kündigungsgründe.
Das typische Sicherheitenpaket
Neben dem zu erwartenden Cash-Flow aus einer späteren Vermietung / Verpachtung / Veräußerung des zu finanzierenden Projekts ist das zu Verfügung stehende Sicherheitenpaket von zentraler Bedeutung für die Finanzierungsentscheidung des Darlehensgebers, wobei Umfang und konkrete Ausgestaltung der Kreditsicherheiten abhängig vom Finanzierungsstadium, der Immobilienart sowie der Rangfolge des betreffenden Darlehens in der Fremdkapitalstruktur sind (s.o.). Typische Bestandteile des Sicherheitenpakets sind:
- (Gesamt-)Grundpfandrechte (i.d.R. Grundschulden);
- Abtretung von Versicherungsforderungen, Miet-/Pachteinnahmen, Kaufpreisforderungen;
- Anteilsverpfändungen, Bürgschaften, Garantien, Patronatserklärungen; und
- bei Nachranggläubigern die Abtretung von Sicherheitenrückgewähransprüchen.
Im Falle mehrerer vor- und nachrangiger Financiers wird typischerweise in einer Sicherheitentreuhandvereinbarung geregelt, dass der erstrangige Darlehensgeber die ihm bestellte Grundschuld und andere nicht-akzessorische Sicherheiten zugleich treuhänderisch für die nachrangigen Darlehensgeber hält.
Die „notleidende“ Immobilienfinanzierung
Wann ein (Immobilien-)Kreditengagement als „notleidend“ (distressed) zu qualifizieren ist, wird in der Praxis unterschiedlich beurteilt. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive ist jedes Kreditinstitut angehalten, eigene Kriterien festzulegen, wann ein Engagement der Intensivbetreuung zuzuordnen ist (vgl. MaRisk, BTO 1.2.4). Üblicherweise überführt ein Darlehensgeber ein (Immobilien-) Kreditengagement in die Intensivbetreuung, wenn (i) aus seiner Sicht die Gefahr besteht (oder bereits eingetreten ist), dass der Cash-Flow des Kreditnehmers nicht ausreicht, um fällige Zins- und Tilgungsleistungen (vollständig) zu leisten; oder (ii) der voraussichtliche Realisierungswert der Sicherheiten die ausstehende Darlehensvaluta nicht mehr deckt.
In allen diesen Fällen wird typischerweise ein sog. Covenant-Bruch und daraus resultierend ein außerordentlicher Kündigungsgrund unter dem Darlehensvertrag vorliegen oder dessen Eintritt unmittelbar bevorstehen. Es bleibt allerdings – jedenfalls aus zivilrechtlicher Sicht – dem Darlehensgeber überlassen, ob er durch einen entsprechenden Kündigungsausspruch den „Anstoß zum Zusammenbruch des Darlehensnehmers“ geben will oder nicht. Teilweise wird zwar dementgegen eine Rechtspflicht zur Sanierung über eine Treuepflicht aus einem langjährigen Kreditverhältnis zu konstruieren versucht; die herrschende Meinung der juristischen Fachliteratur lehnt dies jedoch ab. Lediglich die Gesellschafter des Darlehensnehmers können unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, zumindest Beschlüssen zu Sanierungszwecken zuzustimmen (sog. „Sanieren-oder-Ausscheiden“-Rechtsprechung).
In der Regel wird der Darlehensgeber die Mitwirkung an einer Fortführung des Kreditengagements davon abhängig machen, ob eine „Verlusterwartungsanalyse“ ergibt, dass die Kreditfortführung gegenüber einer Sicherheitenverwertung bzw. einem Insolvenzverfahren vorteilhaft ist. Zieht ein Institut die Begleitung einer Sanierung im Wege der Restrukturierung des Kreditengagements in Betracht, ist es aufsichtsrechtlich angehalten, sich ein Sanierungskonzept – i.d.R. erstellt nach dem oder angelehnt an den Standard IDW S6 – zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Darlehensnehmers vorlegen zu lassen und auf dieser Grundlage ein eigenständiges Urteil darüber zu treffen, ob eine Sanierung erreicht werden kann (MaRisk, BTO 1.2.5 Nr. 4.). Für den Fall der Abwicklung eines Engagements ist ein Abwicklungskonzept zu erstellen, in dem geeignete Abwicklungsmaßnahmen festzulegen sind (MaRisk, BTO 1.2.5 Nr. 7.).
Im Rahmen dieser Beitragsreihe soll es um die Restrukturierung einer Immobilienfinanzierung aufgrund eines Sanierungskonzepts außerhalb eines Abwicklungsszenarios / Insolvenzverfahrens oder eines sonstigen förmlichen Verfahrens gehen. Dies bedeutet: Die Immobilienprojektgesellschaft ist in der Krise und eine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung gemäß § 15 a Abs. 1 InsO wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) besteht noch nicht bzw. kann abgewendet werden. Dies soll nicht den Blick davor verschließen, dass die Sanierung einer Immobilienprojektgesellschaft auch (i) im Rahmen eines Restrukturierungsplans nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) oder (ii) im Rahmen eines förmlichen Insolvenzverfahrens, insbesondere mit Hilfe eines Insolvenzplans (§ 217 ff. InsO) möglich ist. Eine solche förmliche Sanierung erfordert zwar durch die Beachtung der komplexen Verfahrensregelungen einen höheren organisatorischen Aufwand. Verschiedene Erwägungen, wie z.B. die mögliche Überwindung entgegenstehender Minderheitsinteressen (sog. Obstruktionsverbot), können jedoch auch dafürsprechen.
Allgemeine Restrukturierungsparameter
Ziel der (insolvenzvermeidenden) sanierenden Begleitung einer notleidenden Immobilienfinanzierung durch Restrukturierung des Kreditengagements ist die Anpassung der vertraglichen Parameter an die veränderte Kapitaldienstfähigkeit des Darlehensnehmers und/oder den Wertverlust der finanzierten Immobilie.
Die von Darlehensgebern typischerweise in Erwägung gezogenen Restrukturierungsbeiträge, die im Rahmen der weiteren Folgen unserer Beitragsreihe genauer erläutert werden sollen, lassen sich wie folgt kategorisieren:
- Restrukturierungsbeiträge zur Vermeidung oder Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, einschließlich der (vorübergehenden) Beseitigung von Kündigungsrechten sowie der Gewährung von Überbrückungs- und Sanierungskrediten; und
- Restrukturierungsbeiträge zur Vermeidung oder Beseitigung der Überschuldung.
Allerdings wird ein Darlehensgeber seine Bereitschaft zur Leistung eigener Restrukturierungsbeiträge in der Regel von Restrukturierungsbeiträgen des Darlehensnehmers, seiner Gesellschafter und weiterer Stakeholder der Projektgesellschaft abhängig machen, die in der Regel ebenfalls Teil des Sanierungskonzepts sind und folgendermaßen eingeordnet werden können:
- Vertragliche Zugeständnisse des Darlehensnehmers, wie z.B. die Teilrückführung des Senior-Darlehens, Einrichtung von (gesperrten) Reservekonten, restrukturierungsbezogene Covenants, Einhaltung bestimmter „Milestones“, Ausschüttungssperren, Übertragung der Objektverwaltung an einen Dritten, Vermietungs- und/oder Verkaufsauflagen, Besserungsscheine;
- Eigenkapitalbeiträge oder eigenkapitalähnliche Beiträge der Bestandsgesellschafter der Projektgesellschaft oder neuer Kapitalgeber;
- Sanierungsbeiträge weiterer Fremdkapitalgeber der Projektgesellschaft; und
- Restrukturierungsbeiträge weiterer Stakeholder, z.B. von Bauunternehmen und Architekten.
Dabei bietet es sich an, die Verzahnung mehrerer Restrukturierungsbeiträge der Beteiligten in einer multilateralen Restrukturierungsvereinbarung zu regeln, die die vertraglich bindende Umsetzung des Sanierungskonzepts darstellt.
Wir setzen diese Reihe in Kürze mit einem Beitrag zum Thema „Restrukturierungsbeiträge zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit“ fort.
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