2. Februar 2016 |

Nicht immer gelingt es den Gesellschaftern ein- oder mehrgliedriger Personen- und Kapitalgesellschaften, die erforderlichen Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen. Etwa im Falle einer 50/50-Beteiligungsstruktur (häufig vorzufinden bei “Start-Up“- und “Joint-Venture“-Gesellschaften) oder wenn der Gesellschaftsvertrag bzw. das Gesetz vorsehen, dass die Entscheidungen von allen Gesellschaftern einstimmig getragen werden müssen, können Meinungsverschiedenheiten in wichtigen Angelegenheiten der Gesellschaft zur Selbstblockade führen. Ein solcher Zustand hat nicht selten weitreichende Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf und kann schlimmstenfalls zur Auflösung der Gesellschaft führen. Diesen Gefahren sollte man bei der Gestaltung der Gesellschaftsverträge – also bereits in “Friedenszeiten“ – begegnen. Dabei ist die Regelung sog. “Russian-Roulette“-Klauseln nach angloamerikanischem Vorbild eine Option.

 

Inhalt von “Russian-Roulette“-Klauseln

Russian-Roulette“-Klauseln sehen in einer häufigen Gestaltungform vor, dass jeder Gesellschafter berechtigt ist, einem anderen Gesellschafter die eigene Beteiligung an der Gesellschaft zu einem bestimmten Kaufpreis zum Kauf anzubieten. Der andere Gesellschafter ist innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtet, das Angebot anzunehmen oder alternativ dem initiierenden Gesellschafter die eigene Beteiligung zu dem von diesem benannten Kaufpreis zu verkaufen und abzutreten.

Neben diesem Grundmodell gibt es in der Praxis unterschiedliche Varianten des “Russian-Roulette“. Im Rahmen von sog. “Texan-Shoot-Out“-Klauseln übermitteln die Gesellschafter einem Dritten, in der Regel einem Notar, ein verdecktes Kaufangebot für den Gesellschaftsanteil des jeweils anderen. Das höhere Angebot erhält sodann den Zuschlag. Alternativ ist eine Gestaltung möglich, bei der ein Bieterverfahren dergestalt initiiert wird, dass statt der Annahme des (höheren) Angebots jeweils auch die Abgabe eines das Angebot übersteigenden (neuen) Angebots möglich ist.

Vorteile

Die Vorteile des “Russian-Roulette“ bestehen darin, dass die den Wert sowie die Produktivität der Gesellschaft schädigende Selbstblockade durch den vertraglich vorgegebenen Trennungs- bzw. Exit-Prozess schnell und reibungslos beendet werden kann. Dabei wird ein Streit über die angemessene Bewertung der Geschäftsanteile von vornherein vermieden, denn der initiierende Gesellschafter wird durch das mit der Regelungssystematik des “Russian-Roulette“ einhergehende Risiko, den eigenen Geschäftsanteil zu dem selbst ausgelobten Kaufpreis zu verlieren, dem anderen Gesellschafter stets einen fairen Kaufpreis für dessen Gesellschaftsanteil anbieten. Zudem kann bereits das Druckpotential einer solchen Regelung das Bestreben der Parteien positiv beeinflussen, die jeweiligen Konflikte einvernehmlich zu beseitigen bzw. eine Konfliktlösung ohne den Exit eines Gesellschafters herbeizuführen.

Praxishinweise

Es gilt zu beachten, dass das Verfahren einen unvorhersehbaren Ausgang hat, sodass der initiierende Gesellschafter im Vorhinein keine endgültige Sicherheit darüber erlangen kann, ob er sein strategisches Ziel im Rahmen des Trennungsprozesses letztendlich auch erreicht. Zudem besteht bei der Trennung von einem Gesellschafter stets das Risiko, dass eine strategische Position oder etwaiges für die Fortführung des Geschäftes erforderliches Know-how verloren geht.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das OLG Nürnberg (Urt. v. 20.12.2013 – 12 U 49/13) festgestellt hat, dass “Russian-Roulette“-Klauseln allein für Fälle der wirtschaftlichen Parität grundsätzlich zulässig sind. Es besteht mithin die Gefahr der Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel, wenn zum Beispiel einer der Gesellschafter von vornherein finanziell nicht in der Lage ist, den Gesellschaftsanteil des initiierenden Gesellschafters zu erwerben oder der Kauf oder Verkauf für ihn aus anderen Gründen nicht zweckmäßig ist und er demzufolge die für ihn nachteiligen Folgen einer Trennung im Rahmen eines “Russian-Roulette“ dringend vermeiden will.

Als Folge dessen ist bei Aufnahme von “Russian-Roulette“-Klauseln in den Gesellschaftsvertrag erhöhte Vorsicht geboten. Die jeweilige Gestaltung sollte sich in rechtlicher Hinsicht an den Anforderungen der Rechtsprechung orientieren und in wirtschaftlicher Hinsicht die möglichen Folgen für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft berücksichtigten. Insbesondere bedarf es einer genauen Definition derjenigen Fälle, bei denen die “Russian Roulette“-Klausel Anwendung finden soll (sog. “Dead-Lock“-Situationen), sodass nicht jede Gesellschafterstreitigkeit den Exit eines Gesellschafters nach sich zieht bzw. ziehen kann.

Schließlich sollten im Rahmen der Vertragsgestaltung auch Folgefragen des durch das “Russian Roulette“-Verfahren initiierten Beteiligungsverkaufs bedacht werden, so zum Beispiel der Verlust einer etwaigen Organstellung des ausscheidenden Gesellschafters.

Fazit

“Russian-Roulette“-Klauseln können eine effektive und faire Trennungs- bzw. Exit-Möglichkeit in Situationen darstellen, in denen sich Gesellschafter uneins sind und sich daraus eine für die Gesellschaft gefährliche Selbstblockade ergibt. Es empfiehlt sich frühzeitig im Gesellschafterkreis darüber zu diskutieren, ob solche Klauseln im individuellen Fall sinnvoll sind. Und zwar in “Friedenszeiten“, noch bevor überhaupt eine Blockadesituation entsteht.