22. Juli 2018 | Semir Begovic

Die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem einseitigen Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (sog. Iran-Atomabkommen) und die Reaktivierung US-amerikanischer Handelsbeschränkungen gegen den Iran ab dem 6. August 2018 zwingen auch deutsche und europäische Unternehmen zum Überdenken ihrer bestehenden und künftigen Geschäftsbeziehungen. Denn sie müssen mit empfindlichen Strafmaßnahmen der Vereinigten Staaten rechnen, sofern sie Geschäftsbeziehungen mit dem Iran unterhalten und dadurch gegen die US-Sanktionsgesetze verstoßen. Erschwerend kommt hinzu, dass deutsche und künftig auch europäische Anti-Boykottregelungen ein bußgeldbewehrtes Verbot vorsehen, den US-Handelsbeschränkungen gegen den Iran Folge zu leisten. Was ist den betroffenen Unternehmen nun zu raten? Gibt es einen Ausweg aus dieser Zwickmühle?

Die US-Sanktionsgesetze einerseits

Sie untersagen die Vornahme und Unterhaltung sämtlicher Geschäftsbeziehungen mit dem Iran, seien es auch nur mittelbare Geschäfte. Dabei gehen die US-Behörden von der exterritorialen Anwendbarkeit ihrer Sanktionsgesetze aus, insbesondere dann, wenn ein US-Bezug in der Geschäftstätigkeit besteht oder sich die Unternehmen zur Einhaltung der US-Sanktionsgesetze vertraglich verpflichtet haben, wie z.B. in Finanzierungen Darlehensnehmer gegenüber ihrer Bank in den zugrunde liegenden Darlehensverträgen. Die US-Behörden nehmen einen derartigen US-Bezug bereits bei der Zahlung in US-Dollar an. Im Falle eines Verstoßes gegen die US-Sanktionsgesetze drohen den Unternehmen empfindliche Strafmaßnahmen sowie der Ausschluss vom US-Markt. Die Geldstrafen können bis zu einigen Milliarden US-Dollar betragen, wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen.

Deutsches und europäisches Recht andererseits

  • Die deutsche Anti-Boykottregelung gem. § 7 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verbietet die Abgabe einer Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein Inländer an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligt. Dadurch sollen deutsche Unternehmen vor der Beeinträchtigung der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs geschützt werden. Ein Verstoß gegen diese Anti-Boykottregelung in Verbindung mit dem Außenwirtschaftsgesetz stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000,00 Euro geahndet werden. Zudem kann sich aus dem Verstoß das gesamte Rechtsgeschäft gem. §§ 134, 139 BGB als nichtig erweisen.
  • Die EU-Kommission hat zur Aufrechterhaltung des Iran-Atomabkommens als Pendant zum § 7 AWV auf europäischer Ebene am 6. Juni 2018 die Reaktivierung des sog. Blocking-Statute zum Schutz europäischer Unternehmen vor den Auswirkungen der exterritorialen Anwendung der US-Sanktionsgesetze verabschiedet. Die Verordnung soll noch vor dem Wirksamwerden der US-Sanktionsgesetze am 6. August 2018 in Kraft treten.
  • Bei diesem Blocking-Statute handelt es sich um die EU-Verordnung (VO) Nr. 2271/96, die in jedem Mitgliedstaat wie ein nationales Gesetz unmittelbar gilt. Danach wird den EU-Bürgern und den juristischen Personen mit Sitz in der EU untersagt, die US-Sanktionsgesetze der Vereinigten Staaten zu befolgen und sich allein aufgrund der US-Sanktionsgesetze aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen. Zudem sollen Urteile ausländischer Gerichte zur Durchsetzung der US-Sanktionen in der EU nicht anerkannt werden.
  • Ein Verstoß gegen diese Verordnung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann entsprechend § 7 AWV mit einer Geldbuße von bis zu 500.000,00 Euro geahndet werden. Gleichzeitig sieht die Verordnung vor, den betreffenden Unternehmen die durch die Einhaltung der Regelung entstandenen Kosten und Verluste zu ersetzen.

Unternehme in der Zwickmühle

Diese diametral entgegen gesetzten Regelungen führen die Unternehmen in eine unangenehme Situation:

  1. Verstößt das Unternehmen gegen die von den Vereinigten Staaten erlassenen Sanktionsgesetze, droht eine empfindliche Strafe der Vereinigten Staaten bis hin zum Ausschluss vom US-Markt.
  2. Bricht das Unternehmen die Vertragsbeziehungen mit einem Vertragspartner, die einen Bezug zum Iran aufweisen, abrupt ab, droht die Gefahr, von dem Vertragspartner verklagt zu werden.
  3. Werden die deutschen und/oder europäischen Anti-Boykottregelungen nicht eingehalten, droht auch in diesem Fall ein Bußgeld.

Handlungsempfehlung

Zwar gibt es im Zusammenhang mit dem Blocking-Statute noch viele ungeklärte Fragen, etwa wie den Unternehmen nachgewiesen werden soll, dass sie ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Iran allein aufgrund der US-Sanktionsgesetze eingestellt haben, wie streng etwaige Verstöße gegen das Blocking-Statute geahndet werden oder wer konkret die Unternehmen entschädigen soll und bis zu welcher Höhe. Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit die deutsche Anti-Boykottklausel gem. § 7 AWV in der geltenden Fassung erhalten bleiben wird. Jedoch ist unabdingbar, dass alle betroffenen Unternehmen bereits jetzt tätig werden und die eigenen bestehenden und künftigen Geschäftsbeziehungen dahingehend überprüfen müssen, ob diese Bezüge – wenn auch nur mittelbar – sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch dem Iran aufweisen.

Dann gilt es für die Unternehmen im Einzelfall zu entscheiden, ob das US-Geschäft oder das Iran-Geschäft den Vorzug erhalten soll. Denn mit Blick auf die zum Teil erheblichen Geldstrafen, welche die Vereinigten Staaten bereits in der Vergangenheit gegen Unternehmen, insbesondere Finanzunternehmen, wegen Verstößen gegen US-Sanktionsgesetze verhängt haben, und auf die Gefahr des Ausschlusses vom US-Markt, kann nur davon abgeraten werden, weiterhin Geschäftsbeziehungen zu beiden Staaten zu unterhalten.

Eine erste Tendenz geht in Richtung Rückzug aus dem Iran-Geschäft, wie sowohl die Entscheidungen einiger großer Finanzinstitute als auch international tätiger Unternehmen wie etwa Hapag-Lloyd oder CMA-CGM gezeigt haben. Selbst die Bundesbank und die Europäische Investitionsbank überprüfen derzeit die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen zum Iran.

Semir Begovic