24. März 2016 | Oliver Rossbach

Im Instrumentenkasten möglicher Sanierungsbeiträge spielt der Forderungsverzicht (Haircut) eine wichtige Rolle (siehe dazu bereits hier). Mit seiner Hilfe kann ein kriselndes Unternehmen nicht nur eine eingetretene oder drohende Überschuldung abwenden, sondern auch seine Zahlungsunfähigkeit beseitigen.

Zivilrechtlich handelt es sich um einen Erlassvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner (vgl. § 397 BGB). Da mit dem Zustandekommen des Erlassvertrags die betreffenden Forderungen endgültig erlöschen, sind sie auf Seiten des Unternehmens nicht mehr zu passivieren. Der Gläubiger muss sie ausbuchen. Es ist daher offensichtlich, dass ein Forderungsverzicht für Gläubiger schmerzhaft ist, selbst wenn sie ihn mit einer sogenannten Besserungsabrede verknüpfen und dann darauf hoffen können, an einer zukünftigen Erholung ihres Schuldners zu partizipieren. Günstiger ist es für Gläubiger allemal, wenn sie nur einen Teilverzicht erklären müssen, der Schuldner also noch eine Teilzahlung auf die ausstehende Schuld leistet. Auch aus der Perspektive des Schuldners sind die Sanierungschancen größer, wenn er seinen Gläubigern als Gegenleistung für ihren Forderungsverzicht eine Teilzahlung anbieten kann.

Bisherige Rechtslage

Allerdings waren solche Teilzahlungen für den Gläubiger bislang deshalb höchst unattraktiv, weil sie mit einem erheblichen Insolvenzanfechtungsrisiko wegen Gläubigerbenachteiligung (vgl. § 129 InsO) behaftet waren. Denn Teilzahlungen, die in der Regel im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgen, mindern die Aktiva des Schuldners. Ob der Gläubiger im Ernstfall einwenden konnte, dass durch den Forderungsverzicht zugleich auch die Passiva des Schuldners reduziert wurden und daher „unter dem Strich“ keine Gläubigerbenachteiligung vorlag, war bislang höchst unsicher. Denn das Insolvenzanfechtungsrecht betrachtet grundsätzlich isoliert die einzelne vermögensmindernde Handlung und lässt gerade keine Saldierung der Gläubigerbenachteiligung und etwa gleichzeitig bewirkter Vorteile (sog. Vorteilsausgleichung) zu.

Neue BGH-Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Rechtsunsicherheit nun beseitigt und mit Urteil vom 28.01.2016 (Az. IX ZR 185/13) entschieden, dass Teilzahlungen des späteren Insolvenzschuldners an seinen Gläubiger im Rahmen eines mit diesem vereinbarten Forderungsverzichts unter folgenden Voraussetzungen insolvenzfest sind, wobei diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen:

  1. Der Forderungsverzicht des Gläubigers stellt eine unmittelbare Gegenleistung für die Teilzahlung des Schuldners dar; und
  2. der in der Teilzahlung liegende Vermögensverlust wird durch den Forderungsverzicht voll ausgeglichen.

Beispiel: Wenn auf eine Schuld von EUR 1.000 eine Teilzahlung von EUR 300 geleistet werden soll, müssen im Gegenzug mindestens weitere EUR 300 erlassen werden. Würden z.B. nur EUR 250 erlassen, wäre die zweite der oben genannten Voraussetzungen des BGH nicht erfüllt, da der mit der Teilzahlung verbundene Vermögensverlust von EUR 300 durch den Forderungsverzicht in Höhe von nur EUR 250 nicht voll ausgeglichen würde.

Das Urteil ist aufgrund seiner sanierungsfreundlichen Wirkung zu begrüßen und erhöht den rechtssicheren Gestaltungsspielraum – und damit möglicherweise auch die Bereitschaft – für Erlassverhandlungen.

Praxistipp

Vereinbaren Sie, dass die Teilzahlung Zug um Zug gegen den Erlass der Verbindlichkeit erfolgt. Und achten Sie darauf, dass der Betrag der Forderung, die erlassen wird, mindestens dem Betrag der Teilzahlung entspricht.

 

Dr. Oliver Rossbach