20. August 2015 | Oliver Rossbach

Welche Sanierungsbeiträge leisten Banken in der Unternehmenskrise? –

Teil 1: Sanierungspflicht für Banken?

In der Krise eines Unternehmens kommt den Banken regelmäßig eine Schlüsselstellung zu. Natürlich kann eine nachhaltige Sanierung letztlich nur unternehmerisch-gestaltend vom Management bewirkt werden. Und natürlich müssen alle, Gesellschafter wie Stakeholder (Lieferanten, Arbeitnehmer, Warenkreditversicherer etc.), in angemessener Weise Sanierungsbeiträge leisten. Klar ist aber auch: Weder die Gesellschafter noch andere Gläubigergruppen eines insolvenzbedrohten Unternehmens sind erfahrungsgemäß in der Lage, die zur kurzfristigen Überwindung seiner Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung erforderlichen Sanierungsbeiträge bereitzustellen – sei es, dass die notwendige Finanzkraft fehlt, sei es, dass der heterogene Kreis der Stakeholder nicht schnell genug organisiert werden kann. Ohne die Mitwirkung der Banken wird daher nur selten eine Unternehmenssanierung Erfolg haben. Grund genug für uns, in vier lose aufeinanderfolgenden Beiträgen das Verhalten der Banken im Sanierungsprozess näher zu beleuchten. Teil 1 startet mit der Frage, ob es eine Sanierungspflicht für Banken gibt und wie es sich mit dem Recht zur Kündigung der Darlehensverträge verhält. Danach werden wir uns mit typischen Sanierungsbeiträgen der Banken zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens beschäftigen (Teil 2), uns die Besonderheiten von Überbrückungskrediten und Sanierungskrediten näher ansehen (Teil 3) sowie zum Schluss auf diejenigen Sanierungsbeiträge der Banken eingehen, mit denen eine Überschuldung des Unternehmens beseitigt werden kann (Teil 4).

Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens

In diesem wie in den folgenden Beiträgen geht es um die Unternehmenssanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens, d.h. durch außergerichtlichen Vergleich mit allen oder zumindest den wichtigsten Gläubigern im Rahmen eines erarbeiteten Sanierungskonzepts. Dies bedeutet: Das Unternehmen ist in der Krise, eine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht jedoch entweder noch nicht oder, wie in der Praxis meist der Fall, eine bereits bestehende Insolvenzantragspflicht muss kurzfristig wieder beseitigt werden. Dies soll nicht den Blick davor verschließen, dass eine Sanierung auch im Rahmen eines förmlichen Insolvenzverfahrens, insbesondere mit Hilfe eines Insolvenzplans, möglich ist. Eine solche gerichtliche Sanierung erfordert zwar durch die Beachtung der komplexen Verfahrensregelungen der Insolvenzordnung einen höheren organisatorischen Aufwand und hat den Nachteil der Publizität. Verschiedene Erwägungen, wie z.B. die mögliche Überwindung entgegenstehender Minderheitsinteressen und die Möglichkeit zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, können jedoch auch dafür sprechen. Welcher Weg der erfolgversprechendere ist, muss daher im Einzelfall analysiert werden.

Rechtspflicht zur Sanierung?

Unbestreitbar beteiligen sich Banken an der Sanierung ihrer Kreditnehmer, weil sie so die Chance haben, ihre bereits gewährten Kredite zu retten. Ob und in welcher Weise sie dies tun, bleibt jedoch grundsätzlich ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung überlassen. Eine Rechtspflicht zur Sanierung, wie sie vereinzelt über eine Treuepflicht aus einem langjährigen Kreditverhältnis zu konstruieren versucht wird, dürfte es hingegen für Banken nicht geben. Übrigens ist auch der Unternehmer selbst nicht verpflichtet, sein Unternehmen zu sanieren. Gesellschafter hingegen können ausnahmsweise verpflichtet sein, zumindest Beschlüssen zu Sanierungszwecken zuzustimmen.

Recht oder Pflicht zur Kündigung der Kreditverträge?

Liegt nach dem Kreditvertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht (event of default) vor, insb. wegen „wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse“ des Kreditnehmers, dürfen Banken den Kreditvertrag in aller Regel fristlos kündigen. Aber sind Banken auch dazu verpflichtet, ihr Kündigungsrecht auszuüben? Etwa weil sie ansonsten dabei mithelfen würden, andere Gläubiger des insolvenzbedrohten Unternehmens über dessen Solvenz zu täuschen? Die Antwort lautet: Grundsätzlich ist eine Bank auch dann, wenn sie vom Eintritt einer Krise oder eines Insolvenzgrundes bei ihrem Kreditnehmer weiß, nicht zur Kündigung verpflichtet. Sie kann sich vielmehr abwartend verhalten. Es bleibt ihr überlassen, ob sie den „Anstoß zum Zusammenbruch des Unternehmens“ geben will oder nicht.  Haftungsrisiken kann es nach der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang für eine Bank nur dann geben, wenn sie ausschließlich deshalb nicht kündigt, um in rücksichtsloser und eigensüchtiger Weise die eigene Stellung bei dem in Kürze erwarteten Zusammenbruch auf Kosten der anderen Gläubiger zu verbessern.

Nichtausübung des Kündigungsrechts (faktisches Stillhalten)

Eine Bank darf sich also in der Krise ihres Kreditnehmers grundsätzlich abwartend verhalten. Und in der Tat ist das bloße Stillhalten, also die Nichtausübung bestehender Kündigungsrechte und das Offenhalten der Kreditlinien, ein erster wichtiger Sanierungsbeitrag der Banken. Auch wenn für die Wirksamkeit des Stillhaltens keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Bank und Kreditnehmer nötig ist, empfiehlt sich aus Klarstellungsgründen eine schriftliche Vereinbarung. Denn ansonsten bleibt offen, ob die Bank ihr Kündigungsrecht nur für eine gewisse Zeit aussetzen will oder sogar bereit ist, ganz darauf zu verzichten, und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Geschäftsleiter sollten schon mit Blick auf die Beurteilung ihrer Insolvenzantragspflicht auf eine Schriftlichkeit drängen.

Suspendierung des Kündigungsrechts (Stillhaltevereinbarung)

Die befristete Suspendierung bestimmter Kündigungsrechte der Bank wird üblicherweise im Rahmen einer Stillhaltevereinbarung (standstill agreement) vertraglich vereinbart. In der Regel sagt die Bank dem Kreditnehmer auch zu, ihre Sicherheiten bis zum Ende der festgelegten Stillhalteperiode nicht zu verwerten. Im Gegenzug muss der Kreditnehmer Zusicherungen (representations) abgeben und sich zu bestimmten Handlungen verpflichten (undertakings), wie z.B. zur Zahlung einer Restrukturierungsgebühr oder einer höheren Marge, zum Nachweis einer Mindestliquidität, zur fristgemäßen Umsetzung bestimmter Restrukturierungsmaßnahmen oder zum Verkauf bestimmter Vermögensgegenstände. Da zu Recht auch von Gesellschaftern des Kreditnehmers Sanierungsbeiträge – vor allem in Form von Eigenkapitaleinschüssen oder Gesellschafterdarlehen – erwartet werden, sind sie typischerweise ebenfalls Partei der Sanierungsvereinbarung. Dabei wird oftmals heftig darüber verhandelt, in welchem Rangverhältnis die neuen Gesellschaftermittel zu den bestehenden Krediten stehen sollen. Als sogenanntes Dauerschuldverhältnis kann die Stillhaltevereinbarung jederzeit aus wichtigem Grund gekündigt werden, wobei es üblich ist, in die Stillhaltevereinbarung einen Katalog der wichtigen Kündigungsgründe aufzunehmen.

Verzicht auf Kündigungsrecht (Waiver)

Verzichtet eine Bank nicht nur befristet, sondern endgültig auf ihre Kündigungsrechte, tut sie dies typischerweise im Wege einer einseitigen schriftlichen Verzichtserklärung, kurz Waiver genannt. Darin wird dem Kreditnehmer zudem häufig die weitere Verfügbarkeit seiner noch nicht ausgenutzten Betriebsmittellinien zugesagt. Als aufschiebende oder auflösende Bedingungen (conditions precedent oder conditions subsequent) kann der Waiver z.B. die Verpflichtung des Kreditnehmers zur Zahlung einer Waiver-Gebühr oder zur Lieferung bestimmter Informationen enthalten. Der Waiver verschafft dem Kreditnehmer die Sicherheit, dass die Bank seine Kredite nicht wegen bestimmter Kündigungsgründe kündigt und zur sofortigen Rückzahlung fällig stellt. Umgekehrt kann die Bank sich darauf einstellen, dass ihr Kreditnehmer nicht überraschend einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt.

Hat die Bank weder endgültig noch vorübergehend auf Kündigungsrechte verzichtet, sondern den Kredit gekündigt und zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt, löst sie damit in aller Regel die Zahlungsunfähigkeit ihres Kreditnehmers aus. Welche Sanierungsbeiträge die Bank dann leisten kann, folgt demnächst in Teil 2 unserer Serie.