14. September 2015 | Oliver Rossbach

Welche Sanierungsbeiträge leisten Banken in der Unternehmenskrise? –

Teil 2: Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit

Nachdem wir in Teil  1 unserer Serie der Frage nachgegangen sind, ob es eine Sanierungspflicht für Banken gibt und wie es sich mit dem Recht zur Kündigung der Darlehensverträge verhält (siehe hier), beschäftigen wir uns heute mit den typischen Sanierungsbeiträgen der Banken zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens.

 

Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit

Wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, müssen die Mitglieder seines Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen, vgl. § 15 a Insolvenzordnung (InsO). Gleiches gilt im Fall der Überschuldung, wobei die Zahlungsunfähigkeit der in der Praxis bedeutsamere Insolvenzgrund ist. Wer dieser Pflicht nicht oder zu spät nachkommt, haftet zivilrechtlich und strafrechtlich wegen Insolvenzverschleppung. Die Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann daher von vornherein nur dann gelingen, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens – und damit die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung – entweder vermieden oder zumindest kurzfristig wieder beseitigt werden kann.

Prüfung der Zahlungsunfähigkeit

Wann aber liegt überhaupt Zahlungsunfähigkeit vor? Im Gesetz heißt es dazu schlicht: immer dann, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Es besteht Einigkeit darüber, dass keine Zahlungsunfähigkeit bei einer bloßen Zahlungsstockung oder einer nur geringfügigen Liquiditätslücke vorliegt. Die noch heute hierfür maßgeblichen Abgrenzungskriterien hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in einem Urteil aus dem Jahr 2005 in Kürze folgendermaßen vorgegeben:

    • Eine bloße Zahlungsstockung (und damit keine Zahlungsunfähigkeit) ist anzunehmen, wenn der Schuldner sich die benötigten Mittel innerhalb von drei Wochen leihen kann.
    • Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen.
    • Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Zahlungsunfähigkeit somit keine Zeitpunkt-, sondern eine Zeitraumilliquidität. Dies bedeutet für die Praxis: Ein Unternehmen muss zur Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz aufstellen, die an einem bestimmten Stichtag allen sofort verfügbaren und innerhalb von drei Wochen zu erlangenden liquiden Mitteln die an demselben Stichtag fälligen Verbindlichkeiten gegenüberstellt. Beträgt danach die Liquiditätslücke 10 % oder mehr, wird eine Zahlungsunfähigkeit vermutet – es sei denn, dem Unternehmen gelingt es, diese Vermutung zu widerlegen.

Stillhalte- und Stundungsvereinbarungen

Sanierungsbeiträge der Banken zur Vermeidung oder vorübergehenden Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit ihres Kreditnehmers können darin bestehen, dem Unternehmen neue Liquidität zur Verfügung zu stellen oder aber dessen fällige Zahlungspflichten zu verringern. Letzteres erfolgt in der Regel dadurch, dass sich Banken zum Abschluss von Stillhalte- oder Stundungsvereinbarungen, auch Moratorien genannt, bereiterklären. Die darüber hinausgehende Möglichkeit, auf Forderungen im Wege des Erlassvertrags endgültig zu verzichten, wird eine Bank – wenn überhaupt – nur im Zusammenhang mit einer Überschuldungsvermeidung ihres Kreditnehmers ernsthaft prüfen. Der Erlass wird daher in Teil 4 unserer Serie behandelt.

Mithilfe einer Stundung wird die Fälligkeit von Zins- und/oder Tilgungsraten hinausgeschoben. Der Kreditnehmer kann daher solche gestundeten – und damit zurzeit nicht fälligen – Verbindlichkeiten in der Liquiditätsbilanz zur Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt lassen. Dasselbe Ergebnis kann dadurch erreichen werden, dass die Bank sich gegenüber ihrem Kreditnehmer verpflichtet, ihre fälligen Forderungen „nicht ernsthaft einzufordern“. Man spricht im Unterschied zur Stundung vom (bloßen) Stillhalten. Ein solches Stillhalten ist deshalb ausreichend, weil nach der geltenden BGH-Rechtsprechung ein Schuldner nur solche fälligen Forderungen bei der Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit berücksichtigen muss, die sein Gläubiger auch ernsthaft eingefordert hat. Der Unterschied zwischen Stundung (= Fälligkeit wird hinausgeschoben) und Stillhalten (= Forderung bleibt fällig, wird aber nicht ernsthaft eingefordert), wirkt sich damit lediglich zivilrechtlich aus: Bleibt eine Forderung fällig, gerät der Schuldner bei Nichterfüllung in Verzug, so dass die Bank zur Berechnung von Verzugszinsen berechtigt ist. Dies ist beim Hinausschieben der Fälligkeit durch Stundung nicht der Fall. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist in jedem Fall dringend anzuraten, eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, die das wirtschaftlich Gewollte eindeutig widergibt.

Umwandlung in einen PIK-Kredit

Wenn klar ist, dass der Kreditnehmer auf absehbare Zeit Zinsen und/oder Tilgung nicht wird bezahlen können, gibt es auch die Möglichkeit, das bestehende Darlehen in einen sogenannten PIK-Kredit umzuwandeln. PIK ist die Abkürzung für „payment in kind“. Es wird vereinbart, dass die Zinsen nicht in bar entrichtet werden („payment in cash“), sondern durch eine Sachleistung, die in der Umwandlung der geschuldeten Zinsen in ein zusätzliches Darlehen besteht. Mit anderen Worten: Die während der Laufzeit eigentlich in bar zu zahlenden Zinsen werden kapitalisiert und am Ende der schon bestehenden Darlehensvaluta zugeschlagen. Die Tilgung der gesamten Darlehensvaluta erfolgt am Ende der Laufzeit des Darlehens.

Kreditlinien – Wiederöffnung, Prolongation, Erweiterung des Verwendungszwecks

Um ihrem Kreditnehmer Zugriff auf frische Liquidität zu ermöglichen, kann eine Bank eine zuvor „eingefrorene“ Kreditlinie wieder öffnen. Ebenso ist es möglich, den Liquiditätsspielraum des Kreditnehmers zu erhöhen, indem die Bank Kreditlinien verlängert, deren Laufzeit ausläuft und die eigentlich zurückzuzahlen wären (Prolongation). Schließlich verschafft auch eine Erweiterung des ursprünglich vereinbarten Verwendungszwecks von Kreditlinien dem Kreditnehmer praktisch neue Liquidität. So beispielsweise, wenn dem Kreditnehmer gestattet wird, seine Betriebsmittellinie nicht mehr nur zur Finanzierung seines Betriebsmittelbedarfs, sondern auch zur Bezahlung von Zinsen zu verwenden.

Wann muss ein Sanierungsgutachten vorliegen?

Ebenso wie die Geschäftsleitung des insolvenzbedrohten Unternehmens selbst sind auch dessen finanzierende Banken in einer Sanierungssituation ernst zu nehmenden Haftungsrisiken ausgesetzt. Sie müssen sich gegen den Vorwurf schützen, nur aus eigennützigen Gründen ihren Darlehensnehmer weiter finanziert und damit gleichzeitig andere Gläubiger über dessen Solvenz getäuscht zu haben. Um sich diesem Risiko einer Gläubigergefährdungs- und Insolvenzverschleppungshaftung nicht auszusetzen, machen Banken ihre Sanierungsbeiträge regelmäßig von der Vorlage eines Sanierungsgutachtens nach IDW S 6-Standard abhängig, in dem ihrem Kreditnehmer eine positive Fortführungsprognose bestätigt wird. Ein solches Gutachten ist unstreitig zwingend erforderlich bei der Vergabe neuer Kredite zu Sanierungszwecken.

Aber Vorsicht: Als Vergabe eines neuen Kredits wird von einigen Juristen nicht nur die Auszahlung eines neuen Darlehens verstanden (dazu demnächst mehr in Teil 3 unserer Serie), sondern auch jede wirtschaftlich vergleichbare Handlung, durch die dem Kreditnehmer für eine befristete Zeit entweder frische Liquidität zugeführt oder durch die er von Zahlungspflichten aus dem bestehenden Kreditverhältnis befreit wird. Nach dieser weiten Auffassung könnten sämtliche der oben genannten Sanierungsbeiträge wirtschaftlich als Neukreditvergabe zu werten sein. Im Einzelnen ist vieles streitig und noch nicht abschließend vom BGH entschieden. Unternehmen sollten daher Verständnis haben, wenn ihre Banken in Zweifelsfällen ein Sanierungsgutachten von ihnen verlangen. Eine aussichtsreiche Sanierung darf daran jedenfalls nicht scheitern.

Im nächsten Teil werden wir uns die Besonderheiten von Überbrückungskrediten und Sanierungskrediten näher ansehen und dann im letzten Teil auf diejenigen Sanierungsbeiträge der Banken eingehen, mit denen eine Überschuldung des Unternehmens beseitigt werden kann.