23. August 2020 | Team

Unternehmen, die in Deutschland Zahlungsdienste gewerblich erbringen möchten oder bereits erbringen, ist dringend zu empfehlen, sorgfältig zu prüfen, ob dafür eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach den Regelungen des ZAG erforderlich ist. Denn eine zahlungsdienstrechtliche Erlaubnispflicht ist nicht lediglich ein „zahnloser Tiger“ im undurchsichtigen „Regulierungsdschungel“ des deutschen Aufsichtsrechts – im Gegenteil: Ist das Geschäftsmodell als erlaubnispflichtiger Zahlungsdienst zu qualifizieren und greift kein Ausnahmetatbestand, so ist das Betreiben des Geschäfts ohne ZAG-Erlaubnis strafbewährt. Die BaFin kann auch den weiteren Geschäftsbetrieb untersagen.

Der weitreichende Tatbestand des Finanztransfergeschäfts

Von besonderer Relevanz ist in diesem Zusammenhang das – nach wie vor zu oft übersehene – sog. Finanztransfergeschäft (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG), dessen Erlaubnistatbestand bereits dann einschlägig ist, wenn Bestandteil des Geschäftsmodells die Entgegennahme von Geldbeträgen zur Übermittlung an einen Dritten ist. Das heißt: Wer Zahlungen für Dritte abwickelt, braucht dafür in der Regel eine zahlungsdienstrechtliche BaFin-Erlaubnis. Es versteht sich von selbst, dass von dieser Regulierung nicht nur Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche betroffen sind, sondern beispielsweise auch Wachstumsunternehmen, die in den Bereichen (Online-)Handel und Vertrieb tätig sind und ihren Kunden moderne Bezahlverfahren anbieten (möchten), oder andere Intermediäre, die ihren Kunden Zahlungsverkehrsdienstleistungen anbieten.

Das „Lieferheld-Urteil“ und seine Implikationen

Die „Schlagkraft“ des ZAG hat bereits das in der Praxis viel beachtete „Lieferheld-Urteil“ (Urteil des LG Köln v. 29.09.2011 – 81 O 91/11) zum mittlerweile teilweise reformierten ZAG bewiesen. Darin hat das LG Köln u.a. festgestellt, dass es dem Internetportal „Lieferheld“ aufgrund den Bestimmungen des ZAG untersagt ist, ohne BaFin-Erlaubnis Kundengelder entgegenzunehmen und an die vermittelten Gastronomen weiterzuleiten, und zwar unabhängig davon, dass dieser Zahlungsdienst nicht Hauptzweck der Geschäftstätigkeit des Internetportals war. Dieser Auffassung hat sich mittlerweile auch die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde in ihren Verlautbarungen zum ZAG angeschlossen. Eine pauschale Erlaubnisfreiheit für solche Zahlungsdienste, die lediglich als „Nebendienstleistung“ erbracht werden, besteht demnach nicht. Unerheblich ist nach der Rechtsprechung des LG Köln des Weiteren, ob der Zahlungsdienst separat vergütet wird; maßgeblich soll allein sein, dass der betreffende Zahlungsdienst die Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des Hauptgeschäftes fördert.

Handlungsmöglichkeiten und Empfehlungen

Ob eine Erlaubnispflicht gemäß ZAG besteht oder nicht, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und damit von vornherein einer generalisierenden Betrachtungsweise entzogen. Sollte man zu dem Ergebnis gelangen, dass eine ZAG-Erlaubnispflicht besteht oder wahrscheinlich ist, so eröffnen sich für das betroffene Unternehmen grundsätzlich die folgenden Handlungsmöglichkeiten:

  1. Modifizierung des Geschäftsmodells dergestalt, dass die ZAG-Erlaubnispflicht entfällt;
  2. Kooperation mit einem BaFin-regulierten Zahlungsdienstleister, der die erlaubnispflichtige Tätigkeit übernimmt; oder
  3. Anstrengung eines Erlaubnisverfahrens bei der BaFin, mit dem die regulatorische Legitimation des Geschäftsmodells erreicht wird.

In jedem Fall ist (potentiell) vom ZAG betroffenen Unternehmen zu empfehlen, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen. Wie immer gilt: Wer im Vorhinein sein Geschäftsmodell unter Beachtung sämtlicher (aufsichts-)rechtlicher Rahmenbedingungen strukturiert, vermeidet das „böse Erwachen“ im Nachhinein, wenn sich nicht berücksichtigte (Rechts-)Risiken nicht nur rechtlich, sondern in letzter Konsequenz auch kommerziell realisieren.

Sprechen Sie uns gern jederzeit an, wenn Sie Fragen zu einer zahlungsdiensterechtlichen Erlaubnis haben. Wir beraten sie gern.

Prof. Dr. Stephan R. Göthel, LL.M. (Cornell) (stephan.goethel@pier11.de)

Dr. Martin Fornoff (martin.fornoff@pier11.de)