30. Januar 2023 | Dr. Oliver Rossbach

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation und die drohende Rezession mit allen ihren Nebenwirkungen hinterlassen in zahlreichen Branchen ihre Spuren. Staatshilfen, die Aussetzung bzw. Verlängerung von Insolvenzantragsfristen oder die Verkürzung des Prognosezeittraums bei der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung sind keine nachhaltigen Lösungen. Auch Statistiken, die vor nicht allzu langer Zeit sogar noch einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen zeigten, können nicht drüber hinwegtäuschen: Etliche Marktteilnehmer befinden sich in einer (oftmals unverschuldeten) Krise. Damit stellen sich nicht nur für die Geschäftsleiter der betroffenen Unternehmen drängende Fragen aus dem Sanierungs- und Insolvenzbereich, sondern ebenso für die Eigentümer dieser Unternehmen. Einigen dieser Fragen möchten wir mit einer Reihe von Kurzbeiträgen nachgehen.

Folge 2: (Weiter-) Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen

Nachdem wir in Folge 1 die sogenannte Existenzvernichtungshaftung thematisiert haben, möchten wir heute Gesellschafterdarlehen in den Blick nehmen.

Haben sich Gesellschafter dazu entschieden, ihrer in der Krise befindlichen Gesellschaft weitere Mittel zur Verfügung zu stellen (wozu sie grundsätzlich nicht verpflichtet sind; sog. Freiheit des „Finanzierungs-Obs“), geschieht dies meist in Form von Gesellschafterdarlehen. Denn deren vertragliche und praktische Umsetzung ist vergleichsweise unkompliziert; zudem haben sie keine Auswirkungen auf das gezeichnete Kapital der GmbH. Doch gibt es einige wichtige Punkte, an die Gesellschafter bei der Darlehensvergabe denken sollten:

Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts

Über die bloße Liquiditätszufuhr hinaus erreichen Gesellschafterdarlehen nur dann ihre volle „Sanierungs- bzw. Insolvenzantragsvermeidungswirkung“, wenn sie in der (insolvenzrechtlichen) Überschuldungsbilanz der Gesellschaft nicht als Verbindlichkeiten zu passivieren sind. Denn dann kann in vielen Fällen neben dem Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) auch derjenige der insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 InsO) vermieden bzw. beseitigt werden. Die Passivierungspflicht entfällt indes nicht allein deshalb, weil Gesellschafterdarlehen (außerhalb des Sanierungs- oder Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4, 5 InsO) in der Insolvenz der Gesellschaft bereits gesetzlich subordiniert sind (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO). Vielmehr kann die insolvenzrechtliche Passivierungspflicht nur durch die Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts vermieden werden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO), der u.a. eine sog. vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre enthält und auch im Übrigen sorgsam zu formulieren ist.

Unabhängig davon empfiehlt sich die Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts aber auch aus bankaufsichtsrechtlichen Gründen, was oftmals übersehen wird. Denn Darlehen an Unternehmen werden von vornherein nur dann nicht als nach § 32 Abs. 1 KWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft auf Ebene des Darlehensgebers (Gesellschafters) und als nach § 32 Abs. 1 KWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft auf Ebene des Darlehensnehmers (Gesellschaft) eingestuft, wenn die Vertragsparteien für das (Gesellschafter-)Darlehen einen qualifizierten Rangrücktritt vereinbart haben. Ist dies der Fall, kommt es für die Frage einer KWG-Erlaubnispflichtigkeit der Gewährung des Gesellschafterdarlehens auf das Vorliegen anderer, vielfach auslegungsbedürftiger Sachverhaltselemente (z.B. auf die Frage der Gewerbsmäßigkeit der Kreditvergabe/-annahme) nicht mehr an.

Besicherung

Der Wunsch eines Gesellschafters, sein Gesellschafterdarlehen besichern zu lassen, ist verständlich. Doch tendiert der wirtschaftliche Nutzen einer solchen Sicherheit gegen Null, wenn die darlehensnehmende Gesellschaft selbst Sicherheitengeber ist. Denn zum einen muss die Sicherheit in den für die Darlehensansprüche vereinbarten qualifizierten Rangrücktritt zwingend miteinbezogen werden, damit dieser seine überschuldungsvermeidende Wirkung nicht verliert (keine Aushebelung des für die Forderung geltenden Nachrangs durch die Vereinbarung einer nicht subordinierten Sicherheit!); und zum anderen unterliegt jede Sicherheitenbestellung für ein Gesellschafterdarlehen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung erfolgt ist, der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO nicht greift. – Etwas anderes gilt für von Dritten gewährte Sicherheiten, die daher grundsätzlich zu empfehlen sind. Hier ist allerdings darauf zu achten, dass der Drittsicherungsgeber mit einem etwaigen Rückgriffsanspruch im qualifizierten Nachrang steht, damit nicht im Falle der Inanspruchnahme der Sicherheit eine neue Belastung der Überschuldungsbilanz des Darlehensnehmers ausgelöst wird.        

Anfechtbarkeit

Ein Gesellschafter sollte sich bei der Abwägung aller Vor- und Nachteile seiner Darlehensgewährung auch darüber im Klaren sein, dass Darlehensrückzahlungen anfechtbar sein können, wenn der Sanierungsversuch misslingt und ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird. So kann ein späterer Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen des § 135 InsO jegliche Rückzahlungen des Gesellschafterdarlehens, die innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung erfolgt sind, anfechten. Sind Tilgungsleistungen der Gesellschaft mit Benachteiligungsvorsatz gegenüber anderen Gläubigern oder an nahe Angehörige erfolgt, erstreckt sich das Insolvenzanfechtungsrisiko sogar auf noch weiter zurückliegende Zahlungen (§ 133 InsO).

Abtretung der Darlehensforderung an einen Nichtgesellschafter

Der vorstehend beschriebenen Risiken kann sich ein Gesellschafter nicht dadurch entledigen, dass er seine Darlehensforderung an einen Nichtgesellschafter verkauft und abtritt. Zwar hat der Erwerber (Zessionar) der Darlehensforderung auch als Nichtgesellschafter die Risiken der Nachrangigkeit und Anfechtbarkeit des erworbenen Darlehens für die Dauer eines Jahres zu tragen (und ist daher gut beraten, sich für den Fall der Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter durchsetzbare Rückgriffsansprüche gegen den Gesellschafter zu sichern); allerdings ist der Gesellschafter (Zedent) trotz Abtretung nicht aus dem Schneider: Er haftet neben dem Erwerber weiterhin gesamtschuldnerisch gegenüber dem Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Tilgungsleistungen, die der Erwerber in anfechtbarer Weise (§ 135 InsO) erhalten hat.

Wechsel der Gesellschafterstellung nach Darlehensgewährung

Scheidet ein Gesellschafter nach seiner Darlehensgewährung aus der Gesellschaft aus und bleibt weiterhin Darlehensgläubiger, so bleibt sein Darlehen als Gesellschafterdarlehen „verstrickt“, bis die Jahresfrist des § 135 InsO abgelaufen ist. Umgekehrt ist ein Darlehensgeber, der erst nach seiner Darlehensgewährung als Gesellschafter in die Gesellschaft eintritt, ab dann den Beschränkungen der Nachrangigkeit des Darlehens (§ 39 Abs. 1 Satz Nr. 5 InsO) und einer möglichen Anfechtbarkeit von Tilgungsleistungen (§ 135 InsO) unterworfen. All dies gilt, wie stets, nur dann, wenn nicht das Sanierungs- oder Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß § 39 Abs. 4, 5 InsO eingreift.

Es heißt also: Augen auf bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen – vor allem in der Krise –, zumal über die genannten Fallstricke hinaus Folgendes zu beachten ist: Der Gesellschafterbegriff ist äußerst weit, denn erfasst sind auch gleichgestellte Dritte wie z.B. verbundene Unternehmen mit maßgeblicher Beteiligung am Darlehensgeber, Strohmänner, Treuhänder und Treugeber. Vergleichbares gilt für den Begriff des Darlehens, dem alle sonstigen Forderungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, wie z.B. Stundungen von Forderungen, gleichgestellt sind.

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