28. November 2015 | Oliver Rossbach

Nachdem wir in Teil 1 unserer Serie der Frage nachgegangen sind, ob es eine Sanierungspflicht für Banken gibt und wie es sich mit dem Recht zur Kündigung der Darlehensverträge verhält, wir uns in Teil 2 mit den typischen Sanierungsbeiträgen der Banken zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens beschäftigt haben und in Teil 3 die Besonderheiten von Überbrückungs- und Sanierungskrediten beleuchtet haben, behandeln wir in diesem letzten Teil unserer Serie typische Sanierungsbeiträge der Banken zur Beseitigung der Überschuldung.

Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung

Ebenso wie bei der (oftmals erst später hinzutretenden) Zahlungsunfähigkeit gilt auch hier: Ist ein Unternehmen überschuldet, müssen die Mitglieder seines Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen, vgl. § 15 a Insolvenzordnung (InsO). Wer dieser Pflicht nicht oder zu spät nachkommt, haftet zivilrechtlich und strafrechtlich wegen Insolvenzverschleppung. Die Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann daher von vornherein nur dann gelingen, wenn die Überschuldung des Unternehmens – und damit die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung – entweder vermieden oder zumindest kurzfristig wieder beseitigt werden kann.

Prüfung der Überschuldung

Jedes Management ist im Rahmen seiner Selbstprüfungs- und Beobachtungspflicht gehalten, eine   etwaige Überschuldung festzustellen. Wann aber liegt eine Überschuldung vor? Nach der Gesetzesdefinition dann, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“ (§ 18 Abs. 2 InsO). Der zweite Halbsatz soll gewährleisten, dass bilanziell überschuldete Unternehmen, die eine positive Fortführungsprognose und damit eine Sanierungschance haben, von der Insolvenzantragspflicht befreit sind. Für die Prüfung einer etwaigen insolvenzrechtlichen Überschuldung durch das Management des Unternehmens bedeutet dies:

  • Eine handelsbilanzielle Überschuldung ist nur ein Indiz für das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. Das Management sollte jedoch spätestens eine handelsbilanzielle Überschuldung zum Anlass nehmen, mit der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung zu beginnen.
  • Dabei empfiehlt es sich in der Regel, nicht mit der Erstellung einer Überschuldungsbilanz fortzufahren, sondern unmittelbar die Fortführungsprognose zu erarbeiten oder besser – wie von den Banken in der Regel ohnehin gefordert (vgl. Teil 2) – von einem unabhängigen Berater im Rahmen eines Sanierungsgutachtens nach IDW S 6-Standard erarbeiten zu lassen.
  • Fällt danach die Fortführungsprognose positiv aus, ist die Prüfung zu Ende. Es steht fest, dass keine insolvenzrechtliche Überschuldung und damit keine Insolvenzantragspflicht besteht. Die Fortführungsprognose ist positiv, wenn ein auf nachvollziehbaren Tatsachen basierendes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass das Krisenunternehmen zumindest bis zum Ende des laufenden und des folgenden Geschäftsjahres seine fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten wird erfüllen können. Die Fortführungsprognose ist somit in allererster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, eine Prognose über die Zahlungsfähigkeit.
  • Nur wenn die Fortführungsprognose negativ ausfällt, muss das Management weiter prüfen und eine Überschuldungsbilanz erstellen. Diese unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Handelsbilanz, wie z.B. darin, dass die Aktiva mit ihren Liquidationswerten anzusetzen sind. Ergibt sich danach eine bilanzielle Überschuldung, ist das Management insolvenzantragspflichtig nach § 15 a InsO.

Typische Sanierungsbeiträge zur Beseitigung der Überschuldung

Stillhalte- oder Stundungsvereinbarungen ebenso wie die Gewährung neuer Kredite können lediglich die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verhindern (vgl. Teil 2), nicht dagegen seine bilanzielle Überschuldung beseitigen. Denn im ersten Fall bleiben die Bankverbindlichkeiten des Unternehmens voll passiviert, im zweiten Fall erhöhen sie die Passiva sogar. Zur Beseitigung der bilanziellen Überschuldung müssen Banken daher andere Sanierungsbeiträge leisten. In Betracht kommen im Wesentlichen: ein Forderungsverzicht mit oder ohne Besserungsschein, die Zustimmung zur Übertragung von Verbindlichkeiten auf Dritte, die Umwandlung von Krediten in Eigenkapital oder ein Rangrücktritt.

Forderungsverzicht mit oder ohne Besserungsschein

Bei einem vollständigen oder teilweisen Forderungsverzicht (Haircut) handelt es sich um einen Erlassvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner (vgl. § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), der allein schon aus Beweisgründen schriftlich abgeschlossen werden sollte. Da mit dem Zustandekommen des Erlassvertrags die betreffenden Forderungen endgültig erlöschen, sind sie auf Seiten des Unternehmens nicht mehr zu passivieren. Die Bank muss sie ausbuchen. Es ist daher offensichtlich, dass ein Forderungsverzicht der für Banken unattraktivste Sanierungsbeitrag ist. Sehen Banken noch die Chance einer wirtschaftlichen Erholung ihres Schuldners, werden sie ihren Forderungsverzicht mit einer sogenannten Besserungsabrede, auch Besserungsschein genannt, verknüpfen. Der Erlassvertrag steht dann unter der auflösenden Bedingung, dass bei Eintritt der vereinbarten Besserung der Vermögensverhältnisse des Schuldners die Erlasswirkung wieder entfällt, d.h. die Gläubigerforderung wieder auflebt. Auf zwei Dinge ist in der Praxis besonders zu achten: Erstens darauf, dass die Bedingung „Besserung der Vermögenslage“ sorgfältig definiert wird, damit die überschuldungsvermeidende Wirkung des Erlasses nicht zu früh endet. Und zweitens darauf, dass eine steuerschädliche Auflösung der Verbindlichkeit vermieden wird.

Zustimmung der Bank zur Übertragung von Verbindlichkeiten auf Dritte

Die Verbindlichkeiten des Schuldners können auch dadurch reduziert werden, dass sie auf einen Dritten, z.B. die Muttergesellschaft des Schuldners, übertragen werden, und zwar im Wege der befreienden Schuldübernahme (vgl. §§ 414 ff. BGB). Wirksamkeitsvoraussetzung ist allerdings, dass der Gläubiger der Übertragung der Verbindlichkeit zustimmt. Aus Sicht der Banken ist ebenfalls darauf zu achten, dass sämtliche Drittsicherungsgeber der Schuldübernahme vorab zustimmen, da ansonsten die von diesen bestellten Sicherheiten entweder erlöschen (so akzessorische Sicherheiten wie z.B. Bürgschaften, Hypotheken, Pfandrechte) oder die Drittsicherungsgeber einen Anspruch auf Rückübertragung ihrer Sicherheiten haben (so nicht akzessorische Sicherheiten wie z.B. Garantien, Grundschulden, Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen). Eine nachträgliche Genehmigung der Drittsicherungsgeber reicht hingegen nicht. Schließlich ist sicherzustellen, dass die Schuldübernahme so ausgestaltet wird, dass sie zu einer steuerneutralen Entlastung des Schuldners führt.

Umwandlung von Krediten in Eigenkapital (Debt Equity Swap)

Eine weitere Möglichkeit, eine Überschuldung zu vermeiden oder zu beseitigen, ist die Durchführung eines Debt Equity Swaps. Die bedeutet nichts anderes als der Umtausch (Swap) einer gegen das Unternehmen gerichteten Forderung (Debt) in Anteile an diesem Unternehmen (Equity). Praktisch umgesetzt wird dieser Umtausch durch eine Sachkapitalerhöhung, bei der der Gläubiger seine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung als Sacheinlage in die Gesellschaft einbringt. Der ursprüngliche Gläubiger wird also zum Gesellschafter. Da die Gesellschafterstellung zwar mit einigen Chancen, gerade in einer Krisensituation aber vor allem mit etlichen Risiken verbunden ist, werden Banken eher zurückhaltend sein. Sie werden einen Debt Equity Swap nur dann in Betracht ziehen, wenn ihre Forderungen nicht ausreichend besichert sind und sie den Fortführungswert der Gesellschaft höher bewerten als ihren Zerschlagungswert. Für die Altgesellschafter bedeutet der Debt Equity Swap zwar eine Verwässerung ihrer Anteile, die aber verglichen mit einem ansonsten unabwendbaren Insolvenzverfahren in der Regel das kleinere Übel sein dürfte. Im Übrigen bleibt ihnen die Chance auf Partizipation an einem zukünftigen Wertzuwachs.

Rangrücktritt        

Ebenso wie Gesellschafter des Schuldners können auch Banken mit ihrer Forderung im Rang hinter andere Gläubiger zurücktreten. Obwohl häufig auch als „Rangrücktrittserklärung“ bezeichnet, handelt es sich technisch um einen Schuldänderungsvertrag zwischen Gesellschaft und Gläubiger zu einem bestehenden Darlehensvertrag (vgl. § 311 BGB), der den Bestand der zurücktretenden Forderung grundsätzlich unberührt lässt. Überschuldungsvermeidende bzw. -beseitigende Wirkung hat ein solcher Rangrücktritt aber nur, wenn der Gläubiger hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO genannten Forderungen zurücktritt. Nur dann sind die vom Rangrücktritt umfassten Forderungen, die in der Handels- und Steuerbilanz weiterhin als Fremdkapital zu passivieren sind, im Überschuldungsstatus nicht länger als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen (vgl. § 19 Abs. 2 InsO). Außerdem ist eine Klarstellung dahingehend empfehlenswert, dass der Rangrücktritt (1) auch vorinsolvenzliche Wirkung hat, (2) im Besserungsfall erst endet, wenn Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit eindeutig und nachhaltig ausgeschlossen sind und (3) Zinsen auf die zurücktretende Forderung mit erfasst. Insgesamt ist auf eine unmissverständliche und erschöpfende Formulierung des Rangrücktritts äußerste Sorgfalt zu verwenden, auch wenn der Bundesgerichtshof in seinem neuesten Urteil vom 5. März 2015 (IX ZR 133/14) eine gewisse Rückendeckung bei der interessengerechten Auslegung überschuldungsvermeidender Rangrücktrittsvereinbarungen gegeben hat. Zudem muss die Formulierung immer auch so ausgestaltet sein, dass steuerschädliche Buchgewinne vermieden werden (vgl. § 5 Abs. 2 a Einkommensteuergesetz).