18. Oktober 2022 | Team

Die Entwicklungen von und die Investitionen in Immobilienprojekte haben in den vergangenen mehr als 10 Jahren einen beispiellosen Boom erlebt, und zwar über nahezu alle Segmente hinweg. Das gilt gleichermaßen für die Finanzierung solcher Immobilienprojekte (Real Estate Finance). Die Rallye geht so lange gut, wie die davon galoppierenden Preise durch niedrige Finanzierungskosten kompensiert werden und die Projekte ihren Kapitaldienst nachhaltig verdienen können. Daran, dass dies in Zukunft gleichermaßen gegeben sein wird, sind indes einige Zweifel angebracht: Blasenbildung bei den Preisen, steigende Baukosten, in bestimmten Märkten auch wegbrechende Miet- oder Pachteinnahmen und damit eine gefährdete Kapitaldienstfähigkeit und schließlich eine sich plötzlich viel schneller als erwartet vollziehende Erhöhung des Zinsniveaus – dies alles führt dazu, dass erstmals seit langer Zeit auch Immobilienprojektfinanzierungen unter Druck geraten und sich damit für die Beteiligten Fragen aus dem Bereich der Restrukturierung ergeben. Höchste Zeit also, sich damit frühzeitig zu beschäftigen. Wir möchten daher in einer Reihe von Kurzbeiträgen die typischen Konstellationen und Handlungsmöglichkeiten vorstellen.

Überbrückungs- und Sanierungskredite

Nachdem wir unsere Beitragsreihe mit einem Überblick über die typische Asset-Finanzierung in der Krise und die Fragen, die sich regemäßig in einer Krisensituation stellen, gestartet haben (Teil 1), die Reihe mit einem Überblick über Restrukturierungsbeiträge zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit (Teil 2) und zur Beseitigung der Überschuldung (Teil 3) fortgesetzt haben, möchten wir heute die Besonderheiten von Überbrückungs- und Sanierungskrediten beleuchten.

Auch Überbrückungs- und Sanierungskredite dienen dazu, die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu vermeiden bzw. wieder zu beseitigen. Allerdings gelten hier einige Besonderheiten.

Überbrückungskredite

  • Befindet sich eine Immobilien-Projektgesellschaft in der Krise, hat die Geschäftsleitung u.a. die Pflicht zu prüfen, ob das Unternehmen Insolvenz anmelden muss oder ob es noch weiter am Geschäftsleben teilnehmen darf. Die Prüfung, ob eine Sanierung des Unternehmens möglich ist, nimmt naturgemäß einige Zeit in Anspruch, insbesondere für die Erstellung eines Sanierungsgutachtens nach den oder in Anlehnung an die Vorgaben des IDW S 6-Standards. Das Unternehmen ist daher dringend auf liquiditätsstützende Maßnahmen seiner Gläubiger – in erster Linie der Banken – angewiesen, um seine Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Diesem Ziel dienen Überbrückungskredite. Es sind Kredite, die einem in der Krise befindlichen Unternehmen, z.B. Immobilien-Projektgesellschaft oder einem Immobilien-Projektentwickler, mit der Zweckbestimmung gewährt werden, den für die Prüfung der Sanierungsfähigkeit erforderlichen Zeitraum zu überbrücken. Sie werden häufig mit anderen Formen der Überbrückungsfinanzierung wie z.B. Stundungen oder Kündigungsverzichten kombiniert.
  • Überbrückungskredite haben typischerweise eine Laufzeit von zwischen vier und zwölf Wochen. Einerseits müssen sie immer auch die Zeit abdecken, die gebraucht wird, um die der Überbrückungsfinanzierung nachfolgende Sanierungsfinanzierung zu implementieren. Andererseits muss ihre Laufzeit ebenso wie ihr Zweck begrenzt und in der Vertragsdokumentation ausdrücklich geregelt sein, damit die Geschäftsleitung des Unternehmens, aber auch diejenige des Darlehensgebers, ihr mit dem Vorwurf einer Gläubigergefährdung und Insolvenzverschleppung verbundenes Haftungsrisiko begrenzen können.
  • Oftmals verlangen Banken, bevor sie Überbrückungskredite zur Verfügung stellen, Zugeständnisse des Unternehmens, seiner Gesellschafter oder anderer Gläubiger, wie z.B. die Stellung von Sicherheiten, die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen oder Stillhalteerklärungen. Dies ist nicht nur legitim, sondern für eine erfolgreiche Sanierung unabdingbar. Die Verhandlungen der verschiedenen Stakeholder über die Sanierungsbeiträge sind oftmals zäh. Insbesondere nachrangige Gläubiger und Gesellschafter fürchten, im Rahmen der Sanierung große Verluste hinnehmen zu müssen. Um hier eine Einigung zu erzwingen, wird mitunter von vorrangigen Gläubigern damit gedroht, bei Scheitern der Sanierungsgespräche ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und die Neuordnung der Verbindlichkeiten und der Gesellschafterstruktur mithilfe eines Restrukturierungs- oder Insolvenzplans auch gegen den Willen der Opponenten durchzusetzen. Dies lässt die InsO unter bestimmten Voraussetzungen zu.
  • Überbrückungskredite werden am vereinbarten Laufzeitende sofort fällig, ohne dass es einer Kündigung bedarf. In der Regel wird ein vorheriges Kündigungsrecht zugunsten der Darlehensgeber für den Fall vereinbart, dass sich das Unternehmen als nicht sanierungsfähig erweist oder daran ernsthafte Zweifel bestehen. Kündigungsmöglichkeiten aus wichtigem Grund dürften mit Blick auf den Zweck des Überbrückungskredits – jedenfalls was den Kündigungsgrund „Vermögensverschlechterung“ angeht – nur eingeschränkt in Betracht kommen.

Sanierungskredite

  • Sofern am Ende der Überbrückungsphase ein positives Sanierungsgutachten vorliegt, kann der Immobilien-Projektgesellschaft ein Sanierungskredit – häufig in Kombination mit anderen Formen der Sanierungsfinanzierung wie z.B. Stundungen oder Zinsanpassungen – gewährt werden. Sanierungskredite sind Kredite für Unternehmen, die sanierungsbedürftig und sanierungsfähig sind. Sanierungsbedürftigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen bereits insolvent ist oder ohne Sanierungsmaßnahmen alsbald insolvent würde. Die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dürfen Darlehensgeber annehmen, sofern keine ernsthaften Zweifel am Gelingen des Sanierungsversuchs bestehen. Die Rechtsprechung verlangt dafür, dass dem Sanierungsversuch ein schlüssiges Konzept zugrunde liegt, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist. Darlehensgeber lassen sich die Sanierungsfähigkeit ihres Darlehensnehmers von einem externen Fachmann, in der Regel einem Wirtschaftsprüfer, im Rahmen eines Sanierungsgutachtens nach IDW S 6-Standard bestätigen und unterziehen es einer Plausibilitätskontrolle. So schützen sie sich gegen das Risiko einer Gläubigergefährdungs- und Insolvenzverschleppungshaftung, nämlich gegen den Vorwurf, nur aus eigennützigen Gründen ihren Darlehensnehmer weiter finanziert und damit gleichzeitig andere Gläubiger über dessen Solvenz getäuscht zu haben.
  • Durch Sanierungskredite werden die zuvor gewährten Überbrückungskredite refinanziert. Die Laufzeit von Sanierungskrediten orientiert sich an dem Zeitraum, der in dem Sanierungsgutachten untersucht wird. Dieser beträgt in der Regel zwei Jahre. Entscheidend ist währenddessen eine enge und fortlaufende Überwachung der vom Unternehmen umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen. Was die mitunter schwierigen Verhandlungen zwischen unterschiedlichen Gläubigergruppen bzw. Gläubigern und Gesellschaftern betrifft, wenn es darum geht, sich über die einzelnen Sanierungsbeiträge im Rahmen der Sanierungsfinanzierung zu einigen, gilt das zum Überbrückungskredit Gesagte auch hier. Sanierungskredite werden am Laufzeitende automatisch zur Rückzahlung fällig, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während der Laufzeit haben Darlehensgeber immer dann ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Zweck des Sanierungskredits nicht mehr erreicht werden kann oder daran zumindest ernsthafte Zweifel bestehen. Hingegen können Darlehensgeber die außerordentliche Kündigung des Sanierungskredits wegen Vermögensverschlechterung nicht auf Umstände stützen, die ihnen bei der Darlehensvergabe bereits bekannt waren. Die Besicherung neu gewährter Sanierungskredite unterliegt als sogenanntes Bargeschäft grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung, sofern der Wert der Sicherheiten und der Kreditbetrag gleichwertig sind und die Sicherheiten in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Kreditvalutierung bestellt werden. Hingegen bestehen erhebliche Insolvenzanfechtungsrisiken, sofern neu bestellte Sicherheiten zugleich der Besicherung bestehender Altkredite dienen sollen. Um ein Zusammenwirken der unterschiedlichen Kreditgeber zu ermöglichen, werden die ihnen bestellten Sicherheiten regelmäßig in einer Sicherheitenpoolvereinbarung Darin wird unter anderem geregelt, welche Sicherheiten welchen Kreditgebern gewährt worden sind und in welcher Reihenfolge die Kreditgeber an etwaigen Verwertungserlösen partizipieren sollen.
  • Sanierungskredite werden häufig von einem Kreditkonsortium zur Verfügung gestellt. Für die an dem Konsortium beteiligten Banken bedeutet dies, dass sie die Gestaltungsrechte für ihre eigene Kreditposition nicht nach Belieben ausüben können, sondern einer Konsortialdisziplin unterworfen sind. Das zeigt sich etwa bei der Kündigung des Kredits, die in der Regel mindestens einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Konsorten, gemessen an ihrer Beteiligungshöhe, bedarf. Diese Konsortialdisziplin kann für die kreditnehmende Immobilien-Projektgesellschaft den Vorteil haben, dass einzelne Kreditgeber, die den Kreditvertrag kündigen möchten, sich im Zweifel nicht durchsetzen können. Andererseits bergen Unstimmigkeiten im Konsortium stets die Gefahr, dass sich die Sanierungsverhandlungen in die Länge ziehen und der Sanierungserfolg dadurch gefährdet wird.

 

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